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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0331
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XI. Die monastische Konstruktion bischöflichen Fehlverhaltens

Thomas Head wertet die Miracula Sanct Maximini als Zeugnis dafür, wie
„schädlich eine bischöfliche Kontrolle über ein Kloster sein konnte"1409. Diese
Bewertung orientiert sich am Wertmaßstab der mittelalterlichen Autoren aus
Micy und lässt eine quellenkritische Einordnung vermissen. Wie schädlich oder
unschädlich die bischöfliche Kontrolle über ein Kloster in der Realität gewesen
sein mag, könnte nur eine differenzierte und detaillierte Untersuchung der
wirtschaftlichen Situation, der Schenkungen, Veräußerungen auf Basis des ur-
kundlichen Materials erweisen. Was allerdings unter „schädlich" für eine Ge-
meinschaft über die ökonomische Situation hinausgehend bedeutend kann,
bleibt offen und wird von Head auch nicht thematisiert.
Ebenso wenig wie die bischöflichen Aussagen des 9. Jahrhunderts belegen,
dass Laien Klöster schlecht behandelten und Bischöfe gut, lassen sich die nega-
tiven Aussagen über Bischöfe aus diesen monastischen Texten des 10. und frühen
11. Jahrhunderts unhinterfragt zur Beschreibung der Realität verwenden. Sie
belegen weder ein grundsätzlich schlechtes Verhältnis zwischen Bischöfen und
Mönchen in der frühen kapetingischen Periode noch können sie faktisch als
Nachhall „schlechter Erfahrungen mit unsympathischen oder missgünstigen
Bischöfen1410" interpretiert werden, auch wenn dies der Wahrnehmungsrahmen
der Autoren ist. Vielmehr geht es um Erwartungen, die von den geistlichen
Gemeinschaften an bischöfliches Handeln gestellt werden. Es geht um Interes-
sen, Sichtweisen und Bedürfnisse von monastischen (und übrigens auch kleri-
kalen) Gemeinschaften: Versorgung, Leitung, Handlungsspielräume, Verfügung
über Güter, die nicht erst in der scheinbar so unruhigen kapetingischen Zeit
auftauchen. Diese Fragen haben nachweislich bereits in der oftmals verklärten
karolingischen Epoche hohe Relevanz gehabt. Sie werden jedoch nur im Kontext
von Geschichtsschreibung und Hagiographie formuliert, wenn die Prosperität
des Klosters in irgendeiner Form vom Bischof abhing.
Monastische Erwartungshaltungen in Bezug auf bischöfliches und königliches
Handeln bestimmten die Darstellungsweise in den Viten und Miracula. Ent-
scheidend scheint zu sein, dass wahrer Schutz des Kirchenguts jedoch nur durch
den Heiligen Patron des Klosters gegeben ist. Diese Grundeinstellung lässt sich
unabhängig von der Haltung der Miracula-Autoren gegenüber Bischöfen be-
obachten. Das Klostergut wird somit nicht mehr als integraler Bestandteil des
Kirchenguts und der Ausstattung einer Diözese/eines Bistums gesehen, sondern
als Gut des eigenen Heiligen. In bischofsnahen Miracula aus Reformklöstern ist
der Schutz des Klosterguts jedoch weiterhin die Aufgabe des Bischofs, der als
guter gubernator die Besitzungen aller seiner Kirchen, auch der Klöster, zusam-

1409 Head, Hagiography, S. 30: „Letaldus' account of the history of Micy in the ninth and tenth
centuries demonstrates how complete and detrimental such episcopal control of a monastery
could be" (mit Verweis auf Miracula S. Maximini cc. 14-28); vgl. auch ebd. S. 233: die Bischöfe
vergeudeten die Ressourcen von Micy.

1410 Head, Hagiography, S. 213. In den Augen Letalds von Micy sei die Geschichte der Abtei im 9. und
10. Jahrhundert eine „saga of the problems which plagued a foundation controlled by an un-
sympathetic and at times malevolent bishop". Head problematisiert diese Sicht jedoch nicht.
 
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