Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

DOI article:
Kisa, Anton Carel: Peter Flötner
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0043

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
PETER FLÖTNER.

die Behaimsche Sammlung enthielt einige der-
artige, angeblich von dem berühmtesten Plaketten-
künstler Italiens herrührende Stücke, welcher mit
Flötner das Schicksal teilt, als Persönlichkeit
bis heute so gut wie unbekannt geblieben zu
sein. Leitschuh nimmt an, daß er sich in dem
Antikenkabinett des Sammlers und Kunstunter-
nehmers Squarcione in Padua herangebildet und
daselbst auch seine Werkstatt gehalten habe,
in der Flötner als Gehilfe arbeitete. Die ge-
nannten, als O (—pus) Moderni bezeichneten
Plaketten weisen beim Vergleich mit anderen,
zweifellos echten Arbeiten des Italieners in Stil
und Technik starke Abweichungen auf, so daß
man sie eher für Werkstattarbeiten halten könnte,
für Arbeiten, die Flötner eben bei Moderno in
starker Anlehnung an seinen Meister geschaffen
und, wie üblich, mit dessen Namen bezeichnet
hatte. Flötner hat den neuen Stil so vollkommen
und in allen Einzelheiten übernommen, wie kein
anderer deutscher Künstler seiner Zeit. Eine so
durchgreifende Stilwandlung kann nicht durch
die Fernwirkung von Holzschnitten und Kupfer-
stichen allein erklärt werden, sondern nur durch
einen längeren Aufenthalt in Italien, durch das
Studium von Kunstwerken aller Art, namentlich
von Bauten und Bildwerken. Insbesondere den
Reliefstil der Frührenaissance hat Flötner sich
vollkommen zu eigen gemacht; seine weiten, in
Vorder-, Mittel- und Hintergrund aufgelösten
Perspektiven erinnern deutlich an Ghiberti, seine
feine Pflanzenornamentik an die Marmorskulptur
Oberitaliens, an die Bronzearbeiten Paduas. Im
Figürlichen stoßen wir jeden Augenblick auf
Formen, welche eine Vertrautheit mit Schöp-
fungen Raffaels, Lionardos, Donatellos voraus-
setzen. Freilich sind ihm hie und da Härten
mitunterlaufen, dem italienischen Formenprunk
gegenüber schwieg der germanische Drang nach
Charakteristik nicht still und brachte durch leb-
haftes Mienen- und Gebärdenspiel die Grandezza
manchmal etwas durcheinander. Aber was ihm
im Figürlichen mißlingt, macht er im Land-
schaftlichen wett. Hier merkt man das die
Natur mit voller Liebe umfassende Auge des
Deutschen, dem jeder Baum, jeder Strauch,
jeder Hügel ein holdes
Wunder ist. In den park-
artigen Anlagen auf ein-
zelnen Plaketten, wie dem
Rundschilde der Ate
(Nr. 88), der umfangreich-
sten von allen, dann der
Taufe Christi (Nr. 31),
prankt eine Vegetation von
unerschöpflicher Fülle und
Mannigfaltigkeit, macht-
volle Bildungen entwickeln
sich neben solchen von
intimer Zarthe.it. Knorrige,
phantastisch verzweigte
Baumstrünke recken sich

im Vordergrunde, hinter ihnen spannen Eichen
schirmartig ihre Äste, senken Weiden ihr Laub
trübselig in das wuchernde Schilf hinab. Auf
Talwiesen schwingen Wassermühlen ihre Räder,
einmal erscheint auch ein Regenbogen in feiner
Jllusion. Das alles ist individuell aufgefaßt und
doch nicht kleinlich. Die Bäume schließen sich
zu malerischen Gruppen zusammen, sorgfältig
abgestuft und meisterhaft in den Übergängen
behandelt. Mit großem Geschick sind die Figuren
in den Raum hineinkomponiert, mit der Land-
schaft harmonisch in Verbindung gebracht, so
daß sie sich sanft, ohne schroffe Umrisse, los-
lösen. Der Ausschnitt, die Raumfüllung sind
so gut berechnet, daß die Größe und Form der
Plakette nicht verändert werden können, ohne
die Wirkung zu schädigen.

In Nürnberg hatte Flötner neben Veit Wagner
vor allem in Ludwig Krug als Goldschmied und
Modelleur einen wackeren Genossen, der aber
im Figürlichen vonDürer abhängig blieb, während
er in der Ornamentik das Neue mit großer
Leichtigkeit aufnahm. Daß dieser Halbheit und
Unfreiheit gegenüber die konsequente Durch-
führung der italienischen Renaissanceformen
durch Flötner ein künstlerischer und stilistischer
Fortschritt ist, liegt auf der Hand. Dabei
wollen wir freilich der Frage nicht nähertreten,
ob Flötners Erscheinung auf die Entwicklung
der deutschen Kunst von durchaus wohltätigen
Folgen begleitet, ob durch sie der künstlerische
Fortschritt Deutschlands auf die Dauer ver-
bürgt war, oder ob vielleicht die „befangene“
und inkonsequente Art Dürers, weil sie dem
nationalen Wesen besser entsprach, das Ziel
sicherer, wenn auch langsamer erreicht hätte.
Daß der Zwiespalt zwischen der romanischen
und germanischen Kunstanschauung auf den
flgürlichen Stil Flötners nicht immer günstig
eingewirkt hat, wurde bereits angedeutet. Immer-
hin ist er auch darin den italianisierenden Nieder-
ländern seiner Zeit weit überlegen, da er die
stärkere Individualität ist. Es läßt sich aber
nicht leugnen, daß auch in seinen Formen schon
die Ansätze zum Manierismus gegeben sind, der
im Norden die Blüte der Renaissance so früh
knickte. Der allegorische
Kram, welcher an Stelle
der mittelalterlichen Ge-
fühlskunst trat, ist schon
bei ihm so leer und nichts-
sagend, daß kaum die Be-
deutung auch nur einer
allegorischen Gestalt oder
Gruppe mit Sicherheit zu
bestimmen ist, und die
Herren und Damen der
klassischen Mythologie
sind manchmal von einer
Geziertheit, die von jener
des Goltzius nicht mehr
allzu fern liegt.

Orig., Histor. Museum Basel.

Schmiede Vulcans.
(Schule Flötner.)
 
Annotationen