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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Baumann, Rudolf G.: Des Klausners Gebet
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0057

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,DES KLAUSNERS GEBET.

rauhes Wetter in dieser Zeit, der Wind pfiff
kalt durch die Hütte, und das Beten wurde an-
strengender denn je.

Am folgenden Tag kam er wieder, und wie
der fromme Emeranzius fertig gebetet hatte, was
recht mühsam war, hielt ihm der Waldgeist
mit dürrem haarigem Arm eine Kürbisflasche
unter die Nase und sagte: „Da riech einmal du
Frommer, ob das nach Teufel stinkt?“

Der Klausner streckte seine dicke Nase hin
und sog den Duft ein. Ui, wie es gut roch und
stark. Alte Erinnerungen von Becherklang und
Festfreuden bevölkerten sein Hirn.

„Ist’s aber wirklich keine Sünde?“

„Bei Gott nicht,“ sagte der andere und sah
ganz treuherzig aus, trotz seiner Hörnchen.

„Und hilft’s?“

„Es hilft immer.“

„Dann will ich’s halt wagen und in Gottes
Namen den Trank brauen lernen. Die Jungfrau
wird mir ja auch dankbar sein; ich weiß ohne-
hin nicht, ob ich in diesem Winter mein Gelübde
hätte halten können.“

In der nächsten Zeit hatte der gute Mann
alle Hände voll zu tun. Kräuter wurden gesucht
und getrocknet, er braute, kochte, dampfte,
destillierte und läuterte bis in die Nacht hinein.
Einmal lief er sogar viele Stunden weit, um ein
paar Krüge bei Bauern zu erbetteln. Aber seine
Arbeit wurde belohnt. Wie der Sommer um
war, da stand ein ganzes Lager von dem Saft
in der Hütte, und es roch ausnehmend gut und
kräftig.

Das Beten war jetzt Kinderspiel gegen früher.
Wenn es kälter wurde als sonst, oder der Wind
am Morgen pfiff, nahm er vor der Andacht einen
Schluck aus dem Krug oder mehr, und dann
brauchte er gar nicht lange zu ringen und zu
kämpfen, so brach ein schöner Schweiß aus,
und es wärmte auch den Magen.

Der Waldgeist hatte sich im Sommer ver-
zogen, aber der gute Emeranzius dachte noch
oft an ihn und sah im Geiste, wie er seinen
geißbeinigen kleinen Kindern das schöne Gebet
aufsagte.

Nach und nach fing man im Lande an von
dem Klausner und seinem Wundertrank zu
sprechen. Erst war einmal ein altes, verhutzeltes,
neugieriges Bauernweiblein bei ihm gewesen, um
für irgend ein erfundenes Leiden Rat zu holen.
Rat bekam es nur mäßigen, aber der fromme
Mann hatte ihm ein Tröpflein Elixier gegeben
und es als Mittel zum Schweißtreiben an-
empfohlen und als Medizin für alles, wenn man
nur daran glaube.

Das alte Weiblein hatte acht Tage lang von
morgens bis abends spät nur von dem Bruder
Emeranzius und seiner Gabe erzählt. Da waren
andere neugierige Weiblein gekommen und dann
auch jüngere und zuletzt auch Männer, und jetzt
wimmelte es am Sonntag um die Klause; das

Elixier half aber auch so schön, besonders
wenn man daran glaubte, und es schmeckte
so gut.

Aber nur weggegeben hatte Emeranzius von
seinem Mittel; wie er es machte, sagte er nie-
mandem, und im Volke ging das Gerücht, die
Muttergottes selber sei von ihrem Stein gestiegen,
habe die Kräuter gesammelt und ihrem frommen
Hüter Anweisung gegeben, wie er den Trank
brauen müsse.

Dafür ging es ihm auch gut gegenwärtig.
Butter, Eier und Hühner brachten die Bauern
in Hülle und Fülle, und sogar klingende Münzen
sammelten sich im Beutel. Noch nie in seinem
Leben hatte er so viele blanke Batzen beisammen
gesehen, als jetzt im tiefen Düster eines Erdlochs
unter der einfachen Bettstatt schliefen.

Fein ging das Schwitzen nach knusprigem
Braten und fetten Eierkuchen, und bei der zu-
friedenen Seelenstimmung. Nur eins wurmte
und ängstigte ihn; so oft er an den wilden
Wüterich, den Ritter Kellerstein dachte, zog
ihm’s von unten herauf kalt und sonderbar, und
die Knie wankten. Noch immer lebte der grause
Flucher. Wenn der einmal von dem wachsenden
Ruhm des neuen Trankes hören, und vielleicht
gar selber den Weg unter die Füße nehmen
wollte, um den Klausner aufzusuchen, dann wäre
alles aus, oje! dann, — — — daran wollte er
gar nicht denken.

* *

*

Drunten im Tal stand ein kleines armes
Kloster, nur acht Brüder wohnten drin und ein
weiser Abt. Jemand hatte es früher mit einem
Stück Land und Wald bedacht, aber es nährte
seine Mannen schlecht, und manchmal, wenn
der Klostermeier eine kleine Ernte hatte, mußten
die Brüder nach dem Bettelsack greifen und
weit in der Runde umherschnurren, um das
Nötigste aufzutreiben. Zwar war der Abt ein
gelehrter Mann und schrieb das und dies in
dicke Bücher, aber es machte nicht fett, und
niemand schenkte dem kleinen armen Kloster
saftige Wiesen oder fette Felder, wie das ander-
wärts Sitte war.

Einmal, im Frühling, zog der Abt starke
Nagelschuhe an, nahm einen dicken Stock in
die Hand, übergab die Regierung dem ältesten
Bruder und stieg durch Wald und Flur auf-
wärts, um den fernen Klausner mit seinem
Wundertrank aufzusuchen und zu sehen, was
für ein Herr das sei.

Wieder ist’s Frühling.

Wie er so hinaufsteigt, der dicke Alte, ge-
mächlich, Schritt für Schritt, weil er’s nicht
gewohnt ist, da wird er ganz heiter und hoff-
nungsfroh, freut sich über das Grünen und
Blühen, nickt den kleinen duftigen Veilchen am
Wegrand zu, und zieht geräuschvoll die herr-
liche Waldluft ein.

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