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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 8
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Schäfer, Wilhelm: Böcklin und Thoma in Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0094

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BÖCKLIN UND THtOMA IN HEIDELBERG.

Heidelberger Ausstellung, die das Genie Thoma
auf Höhen zeigten — wohlverstanden ganz ab-
gesehen vom Gemüt —, die allen anderen un-
erreichbar sind. Oder wer außer ihm könnte
dieses perlmutterfarbige Bild der Birke malen?

Freilich, um eine große Einsicht scheint er
dem klugen Liebermann wie vielen Allzuklugen
voraus: daß es Dinge gibt, die realistisch nicht
zu malen sind. Und weil er, der mit Interieurs
— es war ein ganz frühes da, das auch Max
Liebermann nicht zur Unehre gereicht hätte —
begann und der nach allen Seiten seine Kräfte
prüfte — seine Predigt am See ist den besten
Skizzen des Gebhardt überlegen, von den schönen
Landschaften nicht zu reden sehr bald fühlte,
daß er zum Höchsten in der Kunst, zur Schöpfung
einer eigenen Welt schöpferische Phantasie genug
habe, so begann er seine Mittel von dem sicher
erworbenen realistischen Boden aus zu steigern,
bis er uns jene Wunderwelt geben konnte, die
ihm das deutsche Volk noch verdanken wird,
wenn alle „modernen“ Fortschritte und Fort-
schrittmacher der Kunst altmodisch geworden
und vergessen sind.

Freilich, das Geschwätz von dem mangelnden
Können Thomas ist verbreitet wie die Maler-
pinsel; der jüngste Akademieschüler, stolz auf
seinen selbstgezeichneten Akt, wie der älteste
Routinier im Vollbesitz seiner Rezepte, fühlen
sich über sein „Stümpertum“ erhaben. Daß ein
so kluger Künstler wie Liebermann mit ein-
stimmt, verrät zum mindesten eine mangelnde

Einsicht in das, was man künstlerisches Können
heißt. Es mag einer noch so gut zu zeichnen
und zu malen verstehen und hat doch mit dem
Künstlerischen nichts zu tun, weil ihm die innere
Freiheit, mit diesen Fähigkeiten eine Harmonie
zu schaffen, fehlt. Das künstlerische Können
beginnt erst da, wo einem Gesetz zuliebe — und
jedes Kunstwerk hat ein solches — die Mittel
gesteigert oder beschränkt werden können. Was
wir Impressionismus nennen hören, betrifft nur
den Erwerb eines neuen malerischen Mittels,
des farbigen Lichts, damit wir eine wahrhaft
moderne Kunst haben könnten. Die in diesem
Erwerb tätig sind, tun ein verdienstliches Werk,
wenn sie redlich sind und sich nicht vermessen,
aus ihrem Kärrnertum auf Könige der Kunst zu
schmähen. Liebermann, bar jeder schöpferischen
Phantasie und arm an Gefühl für Monumentalität,
ist ein musterhaftes Vorbild, trotzdem in emsiger
Selbstzucht Künstler zu werden. Nur sollen er
und die Seinen nicht aus ihrem Mangel ein
Gesetz ableiten, daß alle Kunst so nahe dem
Handwerk stehe.

Die Heidelberger Ausstellung zeigte mehr als
60 gut ausgewählte Thomabilder. Daß daneben
die 22 zum Teil nur skizzenhaften Böcklins
schwächer wirkten, sagt für das Verhältnis der
beiden gegeneinander nichts. Es ist heute nicht
mehr leicht, gute Böcklinbilder heraus zu be-
kommen; und wenn der Oberst Max von Heyl
nicht ihrer 8 geliehen hätte und wenn nicht
dazu die Venus genitrix gekommen wäre, hätte

Louis Eyssen. Feldweg bei Cronberg.
 
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