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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 9
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Eugène Fromentins "die alten Meister"
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Nr. 10
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Diez, Max: Zum Fall Böcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0190

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ZUM FALL BÖCKLIN.

schen Malereien? Brauchbar ist an Meier-Gräfes
Theorien nur das Eine, daß wer impressionistisch
malen will, gut daran tut, das ganze Bild von
diesem Gesichtspunkt aus zu gestalten und sich
mit den niedersten geistigen Werten im Stoff
zu begnügen; das verlangt die „Einheit“ des
Kunstwerks; ebenso gibt es Stoffe, die nur
diskrete Farbe oder gar keine Farbe vertragen,
wenn das Werk eine Einheit sein soll. Aber
wie dürftig ist die Begründung dafür, daß der
Impressionismus das einzige sei, was der Gegen-
wart frommt. Es ist genau dieselbe Sache
wieder wie vor zweihundert Jahren; wie man
uns damals französische Zierlichkeit, Formen-
strenge und Perückenhaftigkeit auf das knorrige
deutsche Wesen pfropfen wollte, so jetzt die
Außerlichkeit impressionistisch - musikalischer
Auffassung der Malerei. Mit Befriedigung
nehmen wir vielmehr wahr, daß die deutsche
Kunst sich allmählich wieder auf deutsches
Wesen zu besinnen angefangen hat. Und der
Asthetik und Kritik möchten wir eines wünschen:
nur um Gottes willen keine absolute Schönheit
mehr! Auch nicht unter dem Vorwand des einzig
Modernen! Es gibt tausend Wege, die zur Kunst
führen, aber es gibt kein äußerliches Rezept,
das zur Kunst führt; auch nicht die mystischen
Einheiten Meier-Gräfes, die sehr wahrscheinlich
neben jenen alten berüchtigten Einheiten fran-
zösischer Provenienz „qu’en un jour, en un
lieu“ etc. feil haben. Kunst ist ganz Persön-
lichkeit; aus dem Innersten muß sie kommen,
aus dem tiefsten Interesse des Geistes. Im
Ganzen muß sie Abbild und Spiegelung des
Volksgeistes selbst sein. Das haben wir leider

über all den technischen Problemen vielfach
vergessen. Und das rächt sich nun. Wie er-
scheint, gegen diese selbstverständliche For-
derung gehalten, die ganze Rezeptmeierei Gräfes!

Kalckreuth hat auf der Ausstellung in Berlin
eines seiner gelungensten Bilder, „Kostümprobe“,
das seine guten Eigenschaften, das Unbewußte,
Ehrliche, Treuherzige, mit gerade so vielFarben-
feinheit zeigt, als diese Eigenschaften vertragen
können. Kalckreuth ist eine fein organisierte
Seele; seine Werke lassen sich nicht mit dem
Ellenmaße messen; es ist überall ein Ver-
senken in seine Sachen notwendig, das ihrer
Seele sorgfältig nachfühlt; sie sind fast alle
voll zarter Poesie eines feingestimmten Geistes.
Solche Werke sind der Kritik gegenüber übel
daran. Bringt man die mindeste vorgefaßte
Meinung mit, eine Theorie etwa über das, was
für die Kunst wünschenswert ist usf., so
verliert der Geist des Kritikers die Fähigkeit,
den feineren Nuancen der Darstellung nach-
zugehen; was dem unbefangenen Nachfühler als
Ehrlichkeit erscheint, wird Nüchternheit; was
ihm als wohltuende Klarheit erscheint, wird
handwerksmäßige Dürftigkeit. Was soll man
von einer Kunstkritik halten, die Kalckreuth
den Namen eines Künstlers abspricht, die ganze
deutsche Kunst für nichtig erklärt mit Ausnahme
von Liebermann und dem halben Trübner, und
dann naiv hinzusetzt, eine große Kunst sei aller-
dings auch dies nicht! Nur vom höchsten Stand-
punkt kann man etwa Kalckreuth so tief her-
untersetzen, wie es Scheffler in seiner Kritik
getan hat; aber vor ihm ist denn auch Lieber-
mann nichts.


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Hermann Seidler, Konstanz. Potpourri, Schnelle und Krug.
 
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