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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr.12
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Rüttenauer, Benno: Neuere Erwerbungen der Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0258

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NEUERE ERWERBUNGEN DER NATIONALGALERIE.

Eine der glücklichst.en Erwerbungen der
Galerie in letzter Zeit ist fraglos der kleine
Marees. „Ruhende Kürassiere“ ist das Bild
betitelt und ist ein Werk der früheren naiven
Periode Marees’. Man hat nicht oft Gelegen-
heit, von diesen seltenen und kostbaren Dingen
etwas vor Augen zu bekommen. In öffent-

lichen Galerien gar. Der Marees der National-
galerie ist aber ganz besonders ein Kleinod.
Vor dem kleinen Bildchen ist es mir end-
gültig zur
Gewißheit
geworden:
dieser Mann
war im rein
malerischen
Sinn des
Wortes der
größte deut-
scheKolorist
seines Jahr-
hunderts.

Und ich will
nur geste-
hen, daß mir
ein eigen-
tümlicher
Gedankeund
Verdacht
aufstieg,
nämlich: ob
nicht gerade
Marees’ un-
gewöhnliche
koloristische
Begabung
ein Hinder-
nis war zur
Erreichung
seiner späte-
ren hochge-

stellten
Ziele? Denn
die dort an-
gestrebte
Monumenta-
lität verträgt
sich sicher
nicht mit
einem her-

vorstechenden und raffinierten Kolorismus, der
wohl so stark zur künstlerischen Wesenheit
Marees’ gehörte, daß es ihm nicht möglich war,
sich davon zu emanzipieren. Er glaubte dann
wohl, bewußt oder unbewußt, auf dem Weg des
Kompromisses zu seinen neuen hohen Zielen
gelangen zu können, das war aber nicht möglich.

* *

*

Von den großen Berühmtheiten, durch welche
die Malerei als solche die höchste Steigerung

bis jetzt bei uns erfahren hat — und wozu
z. B. Menzel, der virtuose Zeichner, entschieden
nicht gehört von diesen, ich möchte sagen
formal höchsten Talenten des deutschen XIX.
Jahrhunderts (das Wort Genie gäbe in diesem
Zusammenhang nicht den richtigen Begriff)
waren bis jetzt Liebermann und Leibl am besten
vertreten. Die beiden Strich für Strich mitein-
ander zu vergleichen, ist ein interessantes Stu-
dium; ich möchte es jedem anraten, der auf

einem der
schwierig-
sten Gebiete
zu einem
selbständi-
gen eigenen
Urteil gelan-
gen will.
Wer freilich
mit der vor-
gefaßten Ab-
sicht ans
Werk ginge,
den einen an
dem andern
herabzuset-
zen, würde
einen Teil
des Vorteils
verlieren.
Ohne völlige
Unbefangen-
heit kommt
man nicht
zur Wahr-
heit.

Von Lie-
bermann ist
nichtsNeues
hinzugekom-
men, von
Leibl wurde
neu erwor-
ben ,,Die
Dachauerin
und ihr
Kind“. Auch
dieses Werk
gehört sei-
ner breiten

weichen Malerei an; es geht darin ganz be-
sonders weit. Leibl präsentiert sich nun gewiß
äußerst glänzend in der Nationalgalerie, und
doch kann man den ganzen Leibl dort immer
noch nicht kennen lernen; ein Werk aus seiner
Periode des mehr zeichnerischen Vortrags be-
sitzt die Galerie nicht.

Aber sie besitzt nun, seit kurzem, einen
dritten Trübner, den sitzenden Mann in Schwarz.
Das war ein ganz außerordentlich guter Fang.
Und nicht weniger glücklich war die Galerie

H. von Marees. Ruhende Kürassiere.

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