Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]: Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein (10.1905)

NEUERE ERWERBUNGEN DER NATIONALGALERIE.

mit der Erwerbung zweier Stilleben von Schuch.
Davor auch kann man lernen, was gute Malerei
ist. Und jeder kann sich davor selber prüfen.
Denn diese Sachen sind freilich ein ganz
anderer Prüfstein, als eine Madonna von Raffael
oder eine Meeresidylle von Böcklin. Ihre Er-
werbung war darum auch eine pädagogische
Tat von höchster Wichtigkeit. Für die Leibl-
schule werden die beiden Stilleben ein unver-
wüstlicher Ruhmestitel sein.

* sfc

*

Ich denke, man wird aus diesen Betrach-
tungen die Überzeugung gewonnen haben, daß
die neuen Erwerbungen der Nationalgalerie
vor der Kritik wohl bestehen können. Es ist
keine einzige darunter, die man eigentlich be-
dauern müßte. Auch nichts Gleichgültiges.
Gewiß nicht unter den Ankäufen. Und wenn
bei der geplanten Zentenar-Ausstellung deut-
scher Malerei dieselben Prinzipien maßgebend

sein werden wie bei diesen Ankäufen, kann
man ihr vertrauensvoll entgegenblicken.

Schenkungen aber unterstehen nicht der
Kritik. Doch wären auch solche dankbar zu
erwähnen, von der Frau Krupp z. B. zwei
„Goya“, die wohl mit den Mitteln der National-
galerie kaum zu kaufen gewesen wären . . .

Auffallend kann man vielleicht finden, wie
verschwindend wenig die Berliner Kunst in
diesen neuen Anschaffungen vertreten ist.
Übrigens nicht nur in diesen, in der ganzen
Galerie. Wenn man, wie billig, die Parade-
bilder und sonstigen offiziellen Schund abzieht,
bleibt für Berlin verdammt wenig übrig. Und
Berlin bedeutet hier zugleich Norddeutschland.
Nein, wahrlich, in der Kunst hat der Norden
einstweilen noch nicht die Vorherrschaft, und
wenn eine gewisse Berliner Presse imstande
ist, das Gegenteil zu behaupten, so stellt sie
sich damit nur selber ein höchst eigentümliches
Zeugnis aus.

Ringel-Jllzach. Jago (Wachs und Gusseisen).