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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Viertes Heft
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Behrens, Franz Richard: Jeder Tod ist leicht
DOI Artikel:
Walden, Herwarth: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0076

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Bruder
Lummer
Grüner
Lunker
Bruder
Franz Richard Behrens

Gedichte
Herwarth Walden
Meine Hand greift sanft
Sand weicht meinen Füssen
Sand mein Gebäude
Sand meine Sonne
Sand meine Erde
Zitternd zagt mein letztes Blut in die Welt
Mein Atem gerinnt
Sand wird mauern
Atem erstickt
Alles blüht
Mein Haar ist bleich
0 Du mein liebes Leben
Morgensüsse meiner Augen
Steine versanden
Sand versteint
Abendsüsse meiner Nacht
Blutlos liegt ein Mensch im Sande
Meine Nacht ist mir genommen
Nie ein Morgen mir gegeben
Nie ein Tag hat mir gehalten
Zwischen Tag und Nacht ein schwaches
Leuchten
Sand erhebt sich heulend von der Erde
Hände Arme Füsse Beine Mund und Augen
greifen
Blutlos liegt ein Mensch nun auf der Erde
Meine Liebe ist ein harter Felsen
Wandert der Felsen
Zermalmt
Poltert über mich fort
Alles zerrinnt
Hält kein Mensch ihn auf
Oben spielt ein Kind
Rötet ihn mit meinem letzten Blut
Lächelt und spielt weiter auf der Erde
Klang verklingt
Ton verklingt
Fall verklingt
Hall verklingt
All verklingt
Ein Tropfen zittert auf der Erde
¥

Nun falt ich meine Hände Deinem Schosse
Milliarden Augen glänzen auf der Erde
Milliarden Münder blicken halb geöffnet
Milliarden Leiber tasten in einander
Die Sucht des Sehnens sucht mundab mund-
auf
Ich aber falte die Hände Deinem Schosse
Verstossen vom Leib der Erde
Verfangen im Weltgeheul
Befangen im Sternschweifen
Traum bin ich meines Traums
Und falt ich meine Hände Deinem Schosse
Alle Menschen ballen sich zusammen
Alle Menschen sinken zu einander
ineinander
Dein Schoss ist die sehnende Erde
Ich aber kniee
bete im Erdgeheul
¥
Weinen streichelt weite Weiden
Frucht sprudelt auf aus der Wuchtwurzel
Bebende Beeren senken sich sehnend
Sinken schillern im Singen nieder
Dämmernde Tränen drängen ins Zwielicht
Läuten Freude in schäumendes Heulen
Dumpf vermummt lullt Luft
Erde bebt schwer unlerm Kelch der Glocke
Gib mir die Hand eh mich Weinen verweht
Ton poltert drohend
Meine schwärmende Härte härmt sich
höre
hör auf
hör auf mich
eine Welle weht verwelkt in die Welt
¥
Oeffne den Kelch meinem schwebenden Blute
Nacht scheint
Nacht hellt auf das Tagesgedunkel
Kniest du mit verschüchtertem Auge
Zittern schwingt im engenden Raume
Zittern klingt im drängenden Raume
Zittern schwirrt im raunenden Raume
Nacht scheint hell
Oeffne die Knie meinem schwebenden Blute
Raum bricht auf
streift meine Hand dein verschüchtertes Auge
Pressen die Arme den Raum in die Zeit
Dunkel funkelt
Blut verzittert
Nacht verwittert
Tag stiert in verschüchterte Augen
Die Erde rollt
¥

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