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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Zehntes Heft
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Schreyer, Lothar: Das Wort, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0181

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DER STURM
MONATSSCHRIFT / HERAUSGEBER: HERWARTH WALDEN

Das Wort
Lothar Schreyer
Fortsetzung
2. Der Kubismus des Wortes
Das Wesen des Kubismus ist anschaulich
im Kubus. Im Begriff begreifen wir das
Wesen des Kubismus. Den Kubus begreifen
wir, wenn wir seine Ausdehnungen er-
kennen.
Das Wesen der kubischen Gestalt ist die
Dreifaltigkeit der Ausdehnungen.
Der Kubismus des Wortes ist die Erkennt-
nis der Dreifaltigkeit der Ausdehnungen
der Wortgestalt.
Die Wortgestalt hat drei Ausdehnungen: die
naturgemässe Ausdehnung, die geistes-
gemässe Ausdehnung, die vernunftgemässe
Ausdehnung.
Die naturgemässe Ausdehnung der Wort-
gestalt ist die Ausdehnung in der Welt des
Willens. Die Wortgestalt wirkt in der Welt
des Willens. Durch die naturgemässe Aus-
dehnung fliesst das Wort ein in die Welt
des Willens und dehnt sich dort aus. Die
naturgemässe Ausdehnung gehört selbst der
Welt des Willens an. Diese Ausdehnung
ist ein untrennbarer Bestandteil der Wort-
gestalt, durch den die Wortgestalt einge-
wirkt ist in die Welt des Willens. Durch
diese Ausdehnung ist die nutzwirkende
Kraft des Wortes gewirkt.
Der Mensch gehört der natürlichen Welt
durch seinen Willen an. Der Wille erscheint
durch alle Äusserungen des Menschen.
Äusserung des Menschen ist das Wort in
seiner naturgemässen Ausdehnung. Das Wort
in dieser Ausdehnung ist Bildemittel der
natürlichen Welt. Als Mittel steht es zwischen
den einzelnen Erscheinungen der natürlichen
Welt. Als Mittel ist es das Mass, mit dem
der Mensch nach seinem Willen die Er-
scheinungen misst und ihnen einen Nennwert,

einen Namen gibt. Die Einzelerscheinung
bezeichnet er mit dem Bruch, gebildet aus
dem Verhältnis der Einzelerscheinung zu der
mit dem Nennwert bezeichneten Gesamt-
erscheinung. Als Bildemittel setzt das Wort
die Erscheinungen, die mit verschiedenen
Nennwerten bezeichnet sind, in ein be-
dingtes Verhältnis. Dieses Verhältnis be-
stimmt sein Wille. Die Setzung dieses
Verhältnisses ist Bildung durch den Men-
schen in der natürlichen Welt.
Die geistesgemässe Ausdehnung der Wort-
gestalt ist die Ausdehnung in der Welt der
Vorstellung. Durch die geistesgemässe Aus-
dehnung fliesst das Wort ein in die Welt
der Vorstellung und dehnt sich dort aus.
Die geislesgemässe Ausdehnung gehört selbst
der Welt der Vorstellung an. Diese Aus-
dehnung ist ein untrennbarer Bestandteil
der Wortgestalt, durch den die Wortgestalt
Ursache ist in der Welt der Vorstellung.
Durch diese Ausdehnung ist die Erkenntnis-
kraft des Wortes verursacht.
Der Mensch gehört der geistigen Welt an
durch die Vorstellung. Die Vorstellung er-
scheint durch alle Innerungen im Menschen.
Innerung des Menschen ist das Wort in
seiner geistesgemässen Ausdehnung. Das
Wort in dieser Ausdehnung ist Erkenntnis-
mittel der geistigen Welt. Als Mittel steht
es zwischen den Erscheinungen der geistigen
Welt. Als Mittel ist es das Mass, mit dem
der Mensch nach seiner Vorstellung die
Escheinungen misst. Jede Einzelerscheinung
in der geistigen Welt ist ein unteilbares
Ganzes und erhält im Mittel Wort gemäss
der Vorstellung eine Bedeutung, einen Sinn.
Als Erkenntnismittel setzt das Wort die
Erscheinungen in ein unbedingtes Verhältnis.
Dieses Verhältnis bestimmt die Vorstellung.
Die Setzung dieses Verhältnisses ist Bildung
durch den Menschen in der geistigen Welt.
Die vernunftgemässe Ausdehnung der Wort-

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