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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Zehntes Heft
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Schreyer, Lothar: Das Wort, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0182

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gestalt ist die Ausdehnung in der Welt der
Gesetze. Durch die vernunftgemässe Aus-
dehnung fliesst das Wort in der Welt der
Gesetze und dehnt sich dort aus. Die ver-
nunftgemässe Ausdehnung gehört selbst der
Welt der Gesetze an. Diese Ausdehnung
ist untrennbarer Bestandteil der Wortgestalt,
in dem die Wortgestalt Absicht ist in
der Welt der Gesetze. In dieser Ausdehnung
ist die Liebekraft des Wortes beabsichtigt.
Der Mensch gehört der Welt der Gesetze an
durch die Liebe. Die Liebe erscheint in
allen Ordnungen im Menschen. Ordnung
im Menschen ist das Wort in^seiner ver-
nunftgemässen Ausdehnung. Das Wort in
dieser Ausdehnung ist Erkenntnis der Ge-
setze. Das Wort ist Gesetz.
Der Mensch gehört der Welt des Willens
und der Welt der Vorstellung und der Welt
der Gesetze an. Eine Dreifaltigkeit ist der
Mensch.
Das Wort des Menschen ist eine Dreifaltig-
keit. Die Dreifaltigkeit ist anschaulich in
den drei Ausdehnungen der Wortgestalt.
Da durch jede Ausdehnung sich das Wort
in einer anderen Welt ausdehnt, sind die
Erscheinungen der drei Ausdehnungen
grundsätzlich verschieden. Die Verschieden-
heit ist ein Geschiedensein.
Die naturgemässe Ausdehnung des Wortes
wirkt die Umgangssprache. Die Umgangs-
sprache ist ein Mittel der Menschen sich
einander mitzuteilen. Die geistesgemässe
Ausdehnung ist Erkenntnismittel, durch das
der Mensch sich in sich selbst erkennt.
Die Umgangssprache vermag Selbsterkanntes
zu äussern. Innerung des anderen Menschen
kann diese Äusserung aber nicht werden.
Der andere Mensch muss in sich selbst durch
die geistesgemässe Ausdehnung erkennen.
Und nur dann, wenn die Äusserungen ver-
schiedener Menschen Äusserungen ent-
sprechender Innerungen sind, haben die
verschiedenen Menschen an der gleichen
Innerung Mitteil. Die Wortgestalt in der
naturgemässen Ausdehnung teilt die Tat-
sachen mit. Die Welt des Willens ist sicht-
bar in Tatsachen. Die Ausdehnung der
Wortgestalt entwickelt sich immer weiter,
je zahlreicher diese Tatsachen sind; denn
jede Tat-Sache will die ihren Bedingungen
entsprechende Wortgestalt zur Mitteilung.
Die Wortgestalt in der geistesgemässen Aus-
dehnung erkennt Ursachen. Die Ausdehnung

der Wortgestalt ist eine der Ent-wicklung
entgegengesetzte. Je näher das Erkennen
der Ursache kommt, desto unbedingter ist
die Wortgestalt. Die geistesgemässe und
die naturgemässe Ausdehnung scheiden sich
wie Ursache und Wirkung. Wie die Wir-
kung nicht ihre eigene Ursache sein kann,
ebensowenig kann die naturgemässe Aus-
dehnung die geistesgemässe Ausdehnung sein.
Die naturgemässe Ausdehnung und die
vernunftgemässe Ausdehnung scheiden sich
in Folgendem:
Die naturgemässe Ausdehnung ent-wickelt
die Wortgestalt, setzt die Wortgestalt aus-
einander, die vernunftgemässe Ausdehnung
setzt die Wortgestalt zusammen. Die natur-
gemässe Ausdehnung setzt die Wortgestalt
auseinander nach der Bedingtheit und der
Welt des Willens. Die vernunftgemässe
Ausdehnung setzt die Wortgestalt zusammen
nach der Unbedingtheit in der Welt der
Gesetze. Durch die Bedingtheit in der Welt
des Willens und die Unbedingtheit in der
Welt der Gesetze können die Erscheinungen
der Wortgestalt in den beiden Ausdehnungen
widersprechend sein. Die naturgemässe
Ausdehnung wird anschaulich in der Um-
gangssprache. Die vernunftgemässe Aus-
dehnung wird anschaulich in der Sprache
der Wortkunst. Die Sprache der Wortkunst
ist die gesetzmässige Ordnung in der Wort-
gestalt. Die Gesetze sind als solche unver-
änderlich. Ob sie die Menschen befolgen
oder nicht, ist abhängig von ihrer Einsicht.
Die mangelnde Einsicht hat die Vorstellung
von der Wortkunst verwirrt. Die Menschen,
die die vernunftgemässe Ausdehnung der
WoTtgestalt nicht erkennen, stellen die Worte
in eine willkürliche Ordnung und halten
es für Wortkunst. Sie kennen die notwendige
Ordnung der vernunftgemässen Ausdehnung
nicht und leugnen sie. Es sind das die
Menschen, die keine Einsicht haben in die
Welt der Gesetze, obwohl auch sie in ihr
leben. Sie leugnen die Liebekraft der Welt
der Gesetze. Sie halten es für Wahnsinn,
dass in der Welt der Gesetze die Liebekraft
beabsichtigt sei, dass diese Liebekraft im
vernünftigen Leben beabsichtigt sei, und
dass sie in der vernunftgemässen Ausdehnung
der Wortgestalt beabsichtigt sei. Diese Liebe-
kraft setzt die Erscheinungen in ein solches
Verhältnis, dass das Widersprechende der
einzelnen Erscheinungen aufgelöst ist. Das

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