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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Zwölftes Heft
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Friedlaender, Salomo: Jour bei Settegals
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Kassák, Lajos: Gedichtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0228

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. fenbarung wird. Alles frei- oder unfrei-
willige Renegaten ihrer Vernunft, des Ver-
< ^nftglaübens.“ Salomon hatte das Hebbel-
/. at aufgeschnappt, griff in seine Ledermappe
d bat, ein Gegensonett vorlesen zu dürfen.
A if allgemeine Akklamation las er, die
nden, mit gelbem Horn eingefassten
Brillengläser vor den dunklen Augen: „Du
vage kühn das Erzexperiment! Was will
r Faust mit seinem magren Deich! Von
■fen Forschens Eifer fieberbleich, Erobre
. r der Dummheit Kontingent! Hast nichts
/ sein als urimpertinent. So faszinierst du
<. e, Arm wie Reich. Der Frechheit beugen
He sich zugleich. Der Niedertracht so
esten wie Orient. Dreist gründe du ein
•me-Sünder-Bad. Und jeden Einz’gen
ioandmarke als schuldig! Pass auf, schon
baldigen sie dir, dem Papst; Die ganze
Erde wird dein Narrenrad, Der heil’ge
iimbim macht sie tief geduldig, Wenn du
mit „Schuldewei“ sie indisch labst“ Es
er tstand kein sehr beifälliges Gemurmel.
, . etzt geht es gegen Martindranat Buberore“,
< ächzte ein Dadaist, der sich erbot, einen
Ivinkan zu tanzen, und es unter Protest
erzwang. Danach bat Frau Settegal um
Gehör für ihren Gatten, der seinen fein
»ächelnden Mund auftat und in einer län-
geren Ausführung bewies, dass Jedermann
sein eigenes Gegenteil sei, und dass es
darauf ankomme, dies immer spannender
iierauszubringen, damit die Selbsterlösung
explosionsartig eintreten könne.
Und ausgerechnet in diesem Moment hörte
man von der Strasse her einen furchtbaren
Knall. Der Gummireifen eines heran-
geratterten Autos war offenbar geplatzt.
Es wurde sehr gelacht.
Ausschnitt aus dem bald erscheinenden Roman .Graue Magie*,
Rudolf Kaemmerer, Dresden

Gedichtungen
-.udwig Kassäk
Die Wärterinnen haben uns schon durch
ihre Augen gezogen
5 Uhr 20
um die Malariakranken beginnen die stinken-
den Nebelimitationen aufzusteigen ach heh
jaget hinaus die Flöhe und die trockenen
ranzenhäute ans eueren Ohren
alles verwirrt sich über der rostigen Erde

alles entkleidet sich und vermählt sich in
sich selbst mit dem All unkontrollierbarer
Rechnungen in den Sacktaschen der Ober-
kellner
mein Weib streckt jetzt seine zwei nackten
Arme unter dem Tuch hervor mein Ge-
schmack flutet aus seinen Poren wie der
Wald und die Stadt. Übrigens aber haben
sich auch die Weissen ganz gerötet
zu dieser Zeit breiten die Frauen ihre Röcke
über die Städte aus uns blieb da auch nur
mehr das Kuschen in Eisentrögen liegen
wir vermischt und nur beim v Jäten des
Barthaares fühlen wir noch dass wir Männer
sind
die Ärzte sind mit glänzenden und klim-
pernden Werkzeugen angelangt ihre Kunst-
zähne legten sie beiseite und unreife Mediker
hängen an ihren Blicken wie Schäferhunde
erlöset uns Menschen
vom Plafond fällt die Stille in grossen
Tropfen wie Blei auf unsere Stirne
vom Gipfel der Türme springen unsere
Ziele kopfüber hinunter
Jod und 3°/» Umschlagwasser fliesst unter
uns hindurch
aber der Parlament gespotteten Menschen-
ställe vergessen wir auch nicht
alles fällt tropfenweise durch irgend ein
verfluchtes Sieb
Glocken singen die Ankunft Jesu
Lieder brechen ohnmächtig zu Scherben
aus den Augen der Autos rinnt elektrische
Demut
zwischen meinen Rippen ist sie in kleinem
grünen Hut aufgebrochen
oh Weib oh oh meine bessere Hälfte voll
mit Sommer und süssen Milchquellen wer
würde in den in Krauttöpfen versunkenen
Spitälern nicht wahnsinnig werden
Übersetzt von Robert Reiter
* j. *
*
Es wäre gut hübsch weit zu laufen Lampen
schaukeln ausgeflossene Herzen biribum
biribum biribum 4 und 22
23 und 5 im Auge der kleinen Kuh tau-
glitzern Familienfreuden du gingst und die
Blumen schlossen ihre Handflächen
du kamst wieder und die Sonne rollte ihr
Gesicht weiter fort
Tunnels
ab und zu kommen die Botschaften mit
glänzendgeriebenen Wangen zu mir herab
gleich Zinntellern

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