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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Neuntes Heft
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Hausmann, Raoul: Die Absichten des Theaters "Pré"
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Droste, Sebastian: Trennung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0174

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Die Absichten des Theaters
„PH*

Das Theater „Pre“ hat die Aufgabe, den
Menschen als Bewegungsteil einer räum-
lichen Spannung von wechselnder Be-
schaffenheit zu zeigen. Es fasst zunächst
einen Tänzer auf als ein Wesen, das sich
ganz als Zentrum und Peripherie des durch
die Bühne gegebenen Raumes fühlt. Dieser
Raum als Abstraktum, als kubische Kunst-
form, bedingt ein Bewusstwerden des Tänzers
als Raumträger und Raumbewegter, der
auch das Nichtsichtbare, die Logik der
scheinbaren Leere, zu gestalten hat. Der
Tänzer ist raumbewegend in dem Sinne,
dass er alle Spannungsrelationen des Raumes
in s ich erlebt und ihnen eine offenbare
Form durch seinen Körper verleiht. Der
Tänzer des Theater „Pre“ ist ausserstande,
vor einem willkürlichen oder räumlich un-
konstruktiven Raum Bewegungsrelationen
zu erleben oder zu gestalten, stets muss
der Kunstraum der Bühne derart räumlich
konstruiert sein, dass die Emanation des
Tanzes als die einzig mögliche Bewegungs-
logik aus ihm entspringt. Aus dieser Not-
wendigkeit muss die Dekoration oder das
Kostüm im alten Sinne fallen. Die Logik
und Klarheit der Bühnenkonstruktion ver-
anlasst und zwingt den Tänzer zu einer
mit ihm organisch verbundenen Tanzform.
Die bisherige Bewegungsromantik wird auf-
gehoben und analog dem Bühnenraum-
gebilde der Tanzende zum Ausdruck der
Vertikalen, der Diagonale, des Quadrats.
Gemäss den neuen Anschauungen vom Raum
in der Malerei wird die Bühne behandelt
und kubisch räumlich aufgebaut. Der so-
genannCe Hintergrund ist nunmehr leben-
dige Relation zum Mittelraum, in dem der
Tänzer diese Relationen auffängt und in eine
Bewegungssynthese seiner Körperglieder ver-
wandelt, die aller nur menschlichen Mechanik
entwöhnt sein müssen. Auf diese Weise
wird die Tanzimprovisation unmöglich und
der Tanz, die absolute Raumgebundenheit,
ausgedrückt durch den menschlichen geis-
tigen Bewegungswillen. Die Synthese des
raumbewegten Menschen im Tanz bedingt
die strengste Regel. Die scheinbare Freiheit
der Grotesktänzerei wird als Anarchie em-
pfunden und verworfen. In vollkommener

Analogie zum Raum und zum Tanz muss
die Musik das Tempo durch die akustischen
Relationen gestalten. Das Theater „Pre“
will die vollkommene Gesetzmässigkeit und
Klarheit der raumzeitlichen Bewegung in
der Einheitsform von Körper, Fläche und
Ton verwirklichen: in einer neuen Form
des Tanzes, der Bühne und der Musik.
Hausmann Peri

Trennung
W. v. Z» zu Eigen
Der Eine: Wirr schreien Deine wunden
Brüste
Begehrend lachend
Kreisend zuckend
Das Wühlen unbewehrter
Männerfäuste . . .
In tiefen hohen Höhen
besingen Vögel lieblich
weiche Seen
berieseln klänge bange gelbe
Wellen . . .
Doch meines Blutes Schrei
befiehlt
Verrasen
Schrei schreie Mutterschreie
Deines Leibes
Der Andere: Bejage ungefügig Deine
Schluchten
Deines Wollen
Und reite nie gesattelt durch
die Wälder . .
Verneine plumpes wildes
Gellen
bezeuge Deiner Armut karges
Stöhnen
Und rase durch die Bitte
meiner Nacht
Ich kralle rote gelbbezuckte
Blumen
Verlache altes grünbe¬
hauchtes Locken
Und brause ungeschäumt das
Sehnen
meiner Hirne
Der Eine: Du hast die Lüste Deiner
Nächte
Das Rasen Deines unge-
bäumten Blutes

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