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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Zwölftes Heft
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Blümner, Rudolf: Kubismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0219

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DER STURM
MONATSSCHRIFT / HERAUSGEBER: HERWARTH WALDEN

Kubismus
Rudolf Blümner
Herr Türk
Frau Türk
Margot
Der Maler
Margot: (sitzt in einer Ecke und heult):
Der Maler: Aber wenn ich sie doch liebe!
Herr Türk: Liebe — liebe — Ich habe meine
Frau auch einmal geliebt —
respektive ich liebe sie noch
heute. Aber was kostet ein
Pfund Butter? Heute? Von
Kleidern und Kohlen garnicht
zu reden!
Der Maler: Aber ich werde mich durch-
setzen.
Herr Türk: Wenn Sie so verrücktes Zeug
malen!
Der Maler: Der Expressionismus hat eine
Zukunft!
Herr Türk: Amalie, komm mal und gib
mir das Tageblatt!
Margot : Alle Leute kaufen jetzt expres¬
sionistische Bilder.
Der Maler: Selbst im Kronprinzenpalais —
Herr Türk: Sie sind doch noch nicht tot
(reicht ihm das Tageblatt) und
was steht da?
Frau Türk: Ich muss ja auch sagen, Polizei-
rats halten sehr viel von der
neuen Richtung.
Margot: (winselnd) Alle Leute wollen
jetzt Bilder haben, auf denen
nichts zu erkennen ist.
Herr Türk: (reisst dem Maler das Tageblatt
aus der Hand) Bitte - der Ex-
pressionismus hat abgewirt-
schaftet. Er ist tot!
Der Maler: Fritz Stahl — den nimmt heute
kein Mensch mehr ernst.

Herr Türk: (springt wütend auf) Was haben
Sie gesagt? Amalie, hast Du
gehört? Niemand mehr ernst?
Fritz Stahl? Der Mann hat
kürzlich sein fünfundzwanzig-
jähriges Dienstjubiläum gefeiert
und Sie sagen, den Mann nimmt
niemand mehr ernst? — Hin-
aus! Sofort verlassen Sie mein
Haus!
Amalie: Aber Arthur —
Herr Türk: Lernen Sie von mir, wie man
einen im Dienst ergrauten Kri-
tiker respektiert.
Margot: (heulend) Auch der Weltspiegel
bringt expressionistische Bilder.
Herr Türk: Das mag Herr Mosse unter sich
abmachen. Wenn Fritz Stahl
schreibt, der Expressionismus
ist tot, dann ist er für mich
tot. Sie — Sie — Kubist, Sie.
Frau Türk: Aber Papa, Du darfst nicht
gleich solche Ausdrücke ge-
brauchen. Ich finde sogar, dass
die Farben auf dem Bild manch-
mal sehr schön sind.
Herr Türk: Ich will wissen, was anf dem
Bild drauf ist. Ich will keinen
Schwiegersohn, über den sich
die Leute lustig machen.
Frau Türk: Können Sie denn nicht anders
malen? Machen Sie doch mal
eine Landschaft oder ein hüb-
sches Fischerdorf!
Der Maler: Oder das Porträt des Herrn Türk
in Lebensgrösse.
Herr Türk: Hinaus.
Frau Türk: (zu Margot) Vielleicht tut er es
Dir zuliebe.
Margot: (heulend) Alle Leute wollen
jetzt kubistisch gemalt werden.
Herr Türk; Danke. Ich halte mich an Fritz
Stahl. Aber damit Sie sehen,

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