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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Zwölftes Heft
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Kassák, Lajos: Gedichtungen
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Liebmann, Kurt: Lebt!
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0229

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wir werden erwachen
weh weh die Fittiche des Geiers könnten
die Welt fallen lassen
doch nichts ist rot weil es grün ist
das Wort starb und nun folgt die Demon-
stration der Tatsachen und Gegenstände
angelt also die Grammophone aus den Kehlen
der Dichter Metallfäden von Konstruktionen
stürzen unter die Lichtpunkte unter der
Stirne des Menschen haust Elektrizität Stein
und Stahl
Dörfer drehen sich entwurzelt dem Satan
zu und ich will nicht mehr unter dem gelben
Turm kauern
Licht
vergebens prügelt die Frau’ den Mann durch
und umgekehrt
Winde wiehern Meer
Wege bewegen Erwachen
die Uhr ist pünktlicher als die Agenten des
Kapitalismus und wer jetzt die Augen ver-
lieren kann, der sieht entweder schon auch
mit ihnen nicht oder er sieht bereits auch
ohne sie.
Übersetzt von Andreas GAspär

Lebt!
Mitten im Tode sind wir
vom Leben umfangen.
Herwarth Walden.
Staub bröckelt Erde. Erde .kriecht Staub.
Staubstiebend platzen schillernde Wolken-
krückenbogen. Pappwände blättern auf.
Harlekine der Unkraft fallen von Seilen.
Erregte Erreger, Pikenträger des Tumults
zeigen gebrochene Rücken. So blähten sie
sich auf Geistborger, Ersatzformer sahen
sie, dass Vision über Erde wuchs, spürten
schiefklügelnd, dass Geburt vulkanisch dem
Kern entstürzte, dass Rhythmus ihren Spreiz-
schritt überrauschte pfeilend. Da hüpften
sie auf, flugäffend, angstsinkend, kletterten
Sockel der Frechheit, schrieen Manifeste,
tölpelten Verworrenheit, bogen ihr Geist-
Begrenztes in Aktivismus zum Erdball,
stahlen geschäftig kreisend den Ur-Ruf Ex-
pressionismus, hingen sich Ketten des Gut-
seins um Propfetenschultern. Priesterköpfe
sprengten den Spitz-Rhythmus der Ueber-
erde Kunst in Weich-Schwungnetz von
Mensch- und Gefühlsverbrüderung. Pflanzten
Paradieses Palmen in erdliches Geschehen.
Moseshörner spiessten. Gernegrosse spran-

gen den Srindberg. Aufwölbte sich c u
Sternheim. Der Kaiser ritt Europa. Beel
voll Bluteiter kreisten. Edschmid stärn
Wolke Parfüm. Eden palmte. Da taumc
Radau in Profelie und Christusverweic
lichung.
Aus entzündeten Tiefen säult die Kur
Zu Tiefen und Höhen. Rhythmus krysta
Aufgebrochen. Zeitlos. Emporgeschleud«
Gefunden.
Mitläufer knicken Rückläufer. Das Ei
theafer der Vater-Sohn-Balgereien,
Schiller-, Büchner-, Strindberg-, Wedekir
Imitationen, der Himmel - Hölle - Jensei
Ohnmächten, des rasenden Lebens, < .
Maschinenstürmer und SpiegelmenscL
wankt. Jener Wust von Problemen, Gei
ballen, Gefühlsverknotungen stürzt in C -
Bewegung der kreisenden Kunst. Die Ku
ist einfach, dünn konzentriert, entstolflic
ätherisiert Sie höhnen uns: banal! Witz«
im Steiss-Schritt ihrer Geblätheit. N
springen sie höher die Sockel der Frechhi
Ihre mondäne Trompete schmiedet d .
Ruf: Der Expressionismus ist tot! Sie fall ,
zurück von ihrem Anflug und kriechen vc
messen Gemessenheit.
Schon schleichen Hyänen Lilerarhistorik
durch den Ueberschwang des Geschehet
verstummt, nun frech an das Licht krie-
chend, Würmer den Kot durchfurchet ?
Der Expressionismus ist tot! Ein Aufatm
antwortet. Der Rhythmus, die Kunst ra
sehen über dem Wirrwar. Stiebend kreis
die Flügel zum Licht. Die Scheidung
geschah.
Fiebernd arbeitet der Druck, das schwai^
Blut. Literatur-Leichenreden werden g>
tragen. Hinter dem schon entfernten Aui-
flug der Kunst schimpfen sie hinterher. Aus
Unzahl Gequak zappeln spitzige Stimmche
Max Freyhan tüncht das „Drama der
Gegenwart“. Sagt zu Stramm: „Weil d
Dynamische hier gar nicht umgeforrr
gewissermassen nur naturalistisch aufg
fangen wird, fehlt es ihm an jeglich i
visionärer Gewalt. Lezte Zuspitzungen
erschöpfen die Form und machen si<
sinnlos, und so ist dieser äusserste Ziel
punkt am Weg des dynamischen Dramas
nicht Dichtung, sondern nur Experiment. “
Friedrich Maerker. Zur Literatur der
Gegenwart. Albert-Langen Verlag. „AL
strakter Expressionismus findet sich in
 
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