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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Siebentes und Achtes Heft
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Grey, Roch: Romanichels Palast
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Mager, Jörg: Vierteltonmusik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0151

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erschüttert vom magischen Strahl dieses
Glanzes zu erfüllen vermögen.
Gebannt, tödlich verlockt werden die grössten
Nachtfalter in Mengen umherflattern. Löwen,
Tiger, Elefanten, Papageien, grosse Schim-
mel und Rappen durch Bewunderung ver-
einigt, werden im gleichen Takt erzittern.
Du wirst nicht mehr lachen.
Sacht verlöschen Deine Lichter, Du hörst
das Stampfen der Tiere, die ihr Lager
aufsuchen. Zuerst die Pferde gleich einem
Windstoss, mit riesenhaft flatternder Mähne
- wie Kaskaden fallen die Schweifbüsche
zur Erde. Das Gehölz knackt, Zweige zer-
brechen, die Äste splittern. Lange lauschst Du
dem Lärm dieses Rückzuges, Du wiederholst
den Namen jeder Tierart, jedes Wesens, die
der menschliche Geist berauschte und
durchdrang. Du lauschst auch auf die
Seufzer derer, die vom glücklichen Zauber
ergriffen nicht mehr die Kraft haben, die
magischen Stätten zu verlassen ...
Entzückt, erschüttert hast Du die Empfin-
dung, den Umfang der menschlichen Aszen-
denz ins Ungemessene zu steigern.
Als neues Element in der natürlichen An-
ordnung der Dinge, als Erscheinung, die
alle Einförmigkeit der Gestade aufhebt,
die noch kein Mensch kennt und da die
Stagnation des tierischen Lebens, die von
aussen keinen Antrieb erhält, im herkömm-
lichen Rhythmus aller irdischen Dinge er-
starrt, die sich selbst überlassen sind, ist
„Romanichels Palast“ dazu bestimmt, über-
all, wo er hinkommt, neue Elemente mit-
zubringen, die auf dem Wunderbaren fussen
und aut alle lebenden Wesen einen Einfluss
haben, den nur die hellsichtigen Augen
eines Dichters ahnen können.
Ins Deutsche übertragen von Hans Jacob

V ierteltonmusik
Jörg Mager
Schluss
Richard Stein macht nicht mit Unrecht
darauf aufmerksam, dass seinerzeit auch
die Musik Richard Wagners wegen ihrer
Ungewöhnlichkeit und Neuheit selbst von
hervorragenden Musikern kräftig ausge-
scholten wurde. Die Gewöhnung spielt eben
auch in musikalischer Beziehung eine sehr

grosse Rolle. Ich hatte mir gewiss einge-
bildet, vorurteilsfrei und unbeirrt durch das
Halbtonsystem an die Prüfung der Viertel-
töne heranzutreten. Wie sehr ich aber unbe-
wusst dabei von der Halbtonmusik beeinflusst
war, merkte ich deutlich, als ein Schüler
Schönbergs mein Harmonium spielte und
wegen seiner freieren Auffassung von Musik
im Nu mehrere Viertelton-Verwertungs-
möglichkeiten gefunden hatte.
Es ist gerade keine Schmeichelei für unsere
musikalische Hörfeinheit, dass uns die tem-
perierte Stimmung mit ihren Tonverun-
reinigungskompromissen und Intervallbe-
stimmungen so alleinseligmachend geworden
ist. Der optimistischen Ansicht Steins,
„dass Vierteltöne nie so grob und grell dis-
sonieren wie die chromatischen Halbtöne
leider so oft“, möchte ich nicht rundweg
zustimmen. Nach Jonquiere müssten die
Schwebungen um so unangenehmer sein,
je enger die Intervalle sind. Heftiger,
unruhiger sind solche Schwebungen wohl,
aber noch lange nicht absolut unangenehm.
Da Helmholtz für die Konsonanzen „Über-
einstimmung gemeinsamer Partialtöne und
Abwesenheit von Schwebungen“ verlangt,
von Moellendorf meint, „neue Konsonanzen
lassen sich nicht finden“, scheint die
Viertelton + Halbton - Mischung recht
diskutabel. Man höre aber einmal
Ferruccio Busoni hierüber: „Wie streng
unterscheiden wir „Konsonanzen“ und
„Dissonanzen“ — da, wo es überhaupt
Dissonanzen nicht geben kann! — Nament-
lich die Tasteninstrumente haben unser
Ohr gründlich geschult, so dass wir nicht
mehr fähig sind, anders zu hören — als
nur im Sinne der Unreinheit. — So haben
wir durch Andreas Werkmeister, diesem
Werkmeister in der Kunst, das „Zwölfhalb-
tonsystem“ mit lauter unreinen, aber leidlich
brauchbaren Intervallen gewonnen. Was
ist aber rein und unrein? — Das diplo-
matische Zwölfersystem ist ein notgedrun-
gener Behelf, und doch wachen wir über
die Wahrung seiner Unvollkommenheiten“.
(Entwurf einer neuen Ästhetik der Ton-
kunst“, Inselbücherei Nr. 202.)
Ich bin auf Grund vieler Versuche zu einer
sehr günstigen Beurteilung der Viertelton
und Halbton - Mischungen gekommen; man
bedenke dabei, dass die genau abgestimm-
ten Zungen des Harmoniums Dissonanzen

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