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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Zehntes Heft
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Schreyer, Lothar: Das Wort, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0188

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zeitgemässen Ausdehnung als Rhythmus
der Bedeutung, in der naturgemässen Aus-
dehnung als Rhythmus der Lautbildung.
In der heutigen Umgangssprache ist der
Rhythmus kaum zu erkennen, da seine Er-
kenntnis erst wieder in den Kreis unseres
Bewusstseins tritt.
Der Rhythmus der Lautbildung setzt die
rhythmische Beherrschung der Sprachwerk-
zeuge voraus. Sie bedingt lebenslange
Schulung der Organe. Eine körperliche
Schulung der Sprachwerke ist heute über-
haupt nicht vorhanden. Wir lernen im
besten Fall deutlich sprechen. Wenige
Menschen lernen, die Laute richtig bilden.
Die gesetzmässige, also vernünftige Laut-
bildung ist aber weit mehr als jede Methode,
die Laute richtig zu bilden. Die Methode,
die Laute richtig zu bilden, wird aus der
Welt des Willens erfasst. Die gesetzmässige
Lautbildung ist nur aus der Erkenntnis des
Wesens der Wortgestalt möglich. Wir
stehen aber erst im zweiten Grad dieser
Erkenntnis.
Der Rhythmus der Bedeutung setzt die
rhythmische Beherrschung der Vorstellung
voraus. Der Rhythmus der Bedeutung ist
die gesetzmässige Bewegung in der geistes-
gemässen Ausdehnung. Die einzelne Be-
deutung steht so in ihrer Vostellungsreihe,
dass die Widersprüche zu den anderen
Bedeutungen ihrer Vorstellungsreihe gelöst
sind. Durch den Rhythmus werden die
Erkenntnismittel gebildet. Die Vorstellungen
sind, solange sie unabhängig von der Welt
der Gesetze sind, alogisch. Erst in Ab-
hängigkeit von der Welt der Gesetze, erst in
der rhythmischen Bewegung sind sie logisch.
Wenn wir erzogen werden, richtig zu
denken, so ist das noch keine Logik. Das
richtige Denken richtet sich nach den Er-
fahrungssätzen. Die Erfahrungssätze sind
aber nicht die Gesetze. Die Erfahrungssätze
sind gesammelte Beobachtungen aus der
Welt der Tatsachen. Die Tatsachen wider-
sprechen oft den Vorstellungen und Gesetzen.
Angesichts der Tatsachen vergessen wir die
Vorstellungen. Unsere Tatsachen suchen
die Gesetze zu umgehen. • Die Gesetz-
umgebung begründen wir mit den Mitteln
der Logik aus Erfahrung, so dass die un-
vernünftige Tatsache den Schein der Ver-
nunft bekommt. Logik aus Erfahrung ist
also keine Logik. Logik ist die gesetz-

mässige Bewegung innerhalb der Vor-
stellungswelt. Logik ist nicht möglich ohne
Erkenntnis der Gesetze der Welt der
Gesetze.
Der Rhythmus des Klangs ist die Bewegung
innerhalb der vernunftgemässen Ausdehnung
der Wortgestalt. Der Rhythmus des Klangs
ist die Gesetzmässigkeit der Klangbewegung.
Die rhythmische Bewegung ist die gesetz-
mässige Bewegung innerhalb der Welt der
Gesetze. Das Gesetz des Rhythmus, das
Gesetz der vernünftigen Bewegung besteht
in der Herstellung des Gleichgewichts
zwischen verschiedenen Bewegungen. Das
Gesetz ist zu erkennen, wenn der Schwer-
punkt der Bewegungszusammenstellung be-
kannt ist. Diese Mitte ist selbst Bewegung
und zwar Kreisbewegung. Die Mitte ist
umschlossen von Bewegungsreihen. Die
Entfernung der einzelnen ' Bewegungsreihe
von der Mitte ist gleichmässig oder ungleich-
mässig, veränderlich oder unveränderlich
nach der Verschiedenheit der Bewegung.
Die Zahl der Gesetze liegt ausserhalb unseres
Erkennens, damit auch die Zahl der
Rhythmen. Jeder einzelne Rhythmus wird
erkannt, wenn der Schwerpunkt der Be-
wegung bekannt oder wenn die Bewegungs-
bahn bekannt ist. Da wir an der Wende
der Entwicklung stehen, die eine Wende
nach der Mitte unseres Wesens ist, erkennen
wir auch die Mitte des Rhythmus, die der
Schwerpunkt ist, nicht unmittelbar. Wir
kennen aber die Bewegungsbahn. Von ihr
aus suchen wir die Mitte. Wir kennen den
Klang der Wortgestalt und wollen den
Rhythmus dieses Klanges erkennen. Die
Bewegungsbahnen des rhythmischen Klanges
sind die Tonverbindung des Klanges, die
Höhenlage und der Stärkegrad des Klanges.
Diese drei Grundbewegungsbahnen um-
schliessen die Bewegung der Mitte. Die
Mitte ist bestimmt als der Schwerpunkt
der entgegengesetzten Grade der Bewegungs-
bahnen. Da die drei Bewegungsbahnen in
verschiedenen Ebenen liegen, ergeben sich
drei verschiedene Schwerpunkte, für jede
Bewegungsbahn eine. Die drei Schwer-
punkte sind ein Dreieck, als dessen Schwer-
punkt die Mitte des Rhythmus gefunden ist.
Diese Mitte ist der Schwerpunkt der
rhytmischen Bewegung.
Der Futurismus erkennt das Dasein der
Mittender Wortgestalt. Die Erkenntnis des

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