architektur. An Material sind 4000 Waggons
Beton, 550 Waggons Eisen und 20 Waggons
Glas verbraucht. Das Gebäude ist in
2 Jahren 2 Monaten von August 1926 bis
Oktober 1928 errichtet. Dieser „Industrie-
palast“ wird von keinem Gebäude Europas
an logischer Schönheit, sachlicher Bequem-
lichkeit und dennoch monumentalerWirkung
übertroffen. Bei weitem übertroffen wird
Europa durch den zweiten Neubau, die
dritte staatliche Musterpoliklinik. In der
gesamten Sowjet-Union sind Polikliniken
keine Verlegenheitsprodukte für die Mehr-
heit der unbemitteltenVolksgenossen. Eigent-
lich in Europa nur zu dem Zweck errichtet,
um den Aerzten die nötigeZahl von Versuchs-
menschen zu Experimenten für die aussichts-
vollere Heilung vollzahlender Patienten zu
schaffen. Hier haben die Aerzte der Poli-
kliniken die schlichte Aufgabe, Proletarier
zn heilen. Durch die Wissenschaft ohne
Rücksicht auf die Wissenschaft. Die dritte
Poliklinik von Charkow ist ein Denkmal,
das das Proletariat seiner gewonnenen
politischen Macht gesetzt hat. In einer Voll-
kommenheit, die sich die Großbourgeosie
nicht einmal für ihre Privatkliniken leistete.
Ein objektiver Zeuge für diese Tatsache
dürfte vielleicht auch europäischen Skepti-
kern der deutsche Botschafter v. Dirksen
sein. Er konnte nicht umhin, im Gästebuch
der Poliklinik zu erklären: „Wir stehen ganz
unter dem Eindruck dieses großen sozialen
Werkes, das in den letzten Jahren hier ent-
standen ist und sich auf die neuesten
Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung
stützt.“ Man dürfte eigentlich nicht umhin
können, dieses Institut ein großes sozia-
listisches Werk zu nennen. Denn vor
der Revolution hatte man als soziales
Werk nur ein lächerlich kleines Kranken-
haus gegen normale Bezahlung zustande
gebracht. Die dritte Poliklinik behandelt
jährlich, ohne irgendwelche Kosten für die
Kranken, 100000 Werktätige. Sie enthält
9 Polikliniken mit 47 Abteilungen. Von der
Chirurgie bis zur Berufsberatung. Neueste
Instrumente und neueste Behandlungs-
methoden. Das meiste hat man aus Deutsch-
land bezogen, was dort allerdings nicht für
jedermann aus dem Volke bestimmt ist. Die
peinliche Sauberkeit in der Einrichtung und
Erhaltung aller Räume ist vorbildlich. Für
die wartenden Kranken sind Erholungssäle
und Lesezimmer mit bequemen Möbeln
vorhanden. Ein großer Vortragssaal mit
Kino für Volksaufklärung über das Gesund-
heitswesen ist zugleich als medizinisches
Museum eingerichtet und für die Kranken
geöffnet. Durch anschauliche, vergleichende
farbige Plakate, durch Modelle und Dia-
gramme werden die Besucher über die
häufigsten Volkskrankheiten, deren Ver-
hütung und Heilung unterrichtet. Die Filme
des Kinos dienen dem gleichen Zweck.
Man soll nicht glauben, daß ein derartig
vollkommenes Institut aus Protzerei errichtet
ist. Man sehe hierin vielmehr eine außer-
ordentlich bedeutende psychiologische Me-
thode, dem Kranken die Wichtigkeit des
Körpers und seiner Funktionen für ihn
selbst zum Bewußtsein zu bringen. Eine
Methode, die man bisher nur angewandt
hat, um den Wert von Kunstwerken in
Erscheinung treten zu lassen. Die Stadt
Charkow arbeitet und lebt. Lebt im Tempo
der Großstadt. In dieser Stadt erinnert man
sich mit Rührung an die Mitteilungen vieler
deutscher Zeitungen über die gräßliche
Hungersnot in der Sowjet-Union. Einige
Preise: Ein Kilo Schwarzbrot 7 Kopeken,
ein Kilo Weißbrot 15 Kopeken. 10 Eier
55 Kopeken. Ein Kilo Butter 2 Rubel
90 Kopeken. Ein Pfund Kalbfleisch 28 Ko-
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Beton, 550 Waggons Eisen und 20 Waggons
Glas verbraucht. Das Gebäude ist in
2 Jahren 2 Monaten von August 1926 bis
Oktober 1928 errichtet. Dieser „Industrie-
palast“ wird von keinem Gebäude Europas
an logischer Schönheit, sachlicher Bequem-
lichkeit und dennoch monumentalerWirkung
übertroffen. Bei weitem übertroffen wird
Europa durch den zweiten Neubau, die
dritte staatliche Musterpoliklinik. In der
gesamten Sowjet-Union sind Polikliniken
keine Verlegenheitsprodukte für die Mehr-
heit der unbemitteltenVolksgenossen. Eigent-
lich in Europa nur zu dem Zweck errichtet,
um den Aerzten die nötigeZahl von Versuchs-
menschen zu Experimenten für die aussichts-
vollere Heilung vollzahlender Patienten zu
schaffen. Hier haben die Aerzte der Poli-
kliniken die schlichte Aufgabe, Proletarier
zn heilen. Durch die Wissenschaft ohne
Rücksicht auf die Wissenschaft. Die dritte
Poliklinik von Charkow ist ein Denkmal,
das das Proletariat seiner gewonnenen
politischen Macht gesetzt hat. In einer Voll-
kommenheit, die sich die Großbourgeosie
nicht einmal für ihre Privatkliniken leistete.
Ein objektiver Zeuge für diese Tatsache
dürfte vielleicht auch europäischen Skepti-
kern der deutsche Botschafter v. Dirksen
sein. Er konnte nicht umhin, im Gästebuch
der Poliklinik zu erklären: „Wir stehen ganz
unter dem Eindruck dieses großen sozialen
Werkes, das in den letzten Jahren hier ent-
standen ist und sich auf die neuesten
Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung
stützt.“ Man dürfte eigentlich nicht umhin
können, dieses Institut ein großes sozia-
listisches Werk zu nennen. Denn vor
der Revolution hatte man als soziales
Werk nur ein lächerlich kleines Kranken-
haus gegen normale Bezahlung zustande
gebracht. Die dritte Poliklinik behandelt
jährlich, ohne irgendwelche Kosten für die
Kranken, 100000 Werktätige. Sie enthält
9 Polikliniken mit 47 Abteilungen. Von der
Chirurgie bis zur Berufsberatung. Neueste
Instrumente und neueste Behandlungs-
methoden. Das meiste hat man aus Deutsch-
land bezogen, was dort allerdings nicht für
jedermann aus dem Volke bestimmt ist. Die
peinliche Sauberkeit in der Einrichtung und
Erhaltung aller Räume ist vorbildlich. Für
die wartenden Kranken sind Erholungssäle
und Lesezimmer mit bequemen Möbeln
vorhanden. Ein großer Vortragssaal mit
Kino für Volksaufklärung über das Gesund-
heitswesen ist zugleich als medizinisches
Museum eingerichtet und für die Kranken
geöffnet. Durch anschauliche, vergleichende
farbige Plakate, durch Modelle und Dia-
gramme werden die Besucher über die
häufigsten Volkskrankheiten, deren Ver-
hütung und Heilung unterrichtet. Die Filme
des Kinos dienen dem gleichen Zweck.
Man soll nicht glauben, daß ein derartig
vollkommenes Institut aus Protzerei errichtet
ist. Man sehe hierin vielmehr eine außer-
ordentlich bedeutende psychiologische Me-
thode, dem Kranken die Wichtigkeit des
Körpers und seiner Funktionen für ihn
selbst zum Bewußtsein zu bringen. Eine
Methode, die man bisher nur angewandt
hat, um den Wert von Kunstwerken in
Erscheinung treten zu lassen. Die Stadt
Charkow arbeitet und lebt. Lebt im Tempo
der Großstadt. In dieser Stadt erinnert man
sich mit Rührung an die Mitteilungen vieler
deutscher Zeitungen über die gräßliche
Hungersnot in der Sowjet-Union. Einige
Preise: Ein Kilo Schwarzbrot 7 Kopeken,
ein Kilo Weißbrot 15 Kopeken. 10 Eier
55 Kopeken. Ein Kilo Butter 2 Rubel
90 Kopeken. Ein Pfund Kalbfleisch 28 Ko-
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