Meta ruft: „Marschieren wir ein Stück mit
dem Zug.“
Was die tausend Wallfahrer zusammen-
schweißt, berührt auch Jonny. Es ist nur
ein Antasten. Denn Jonny marschiert neben
dem Zug, auf dem Bürgersteig. Die Wärme
des Eins zwingt ihn, Metas Hand zu fassen.
„Es ist gleich, ob der Führer die Dornen-
male des Christus auf der Stirn trägt, oder
die Narben der Schlacht, oder ob Gefangen-
schaft ihre gespenstische Farbe auf die harte
Stirn zeichnete. Wehe dem, der die Rela-
tivität der Dinge erfuhr. Denn der ist ohne
Pulsschlag.“
„Du frierst, Jonny.“
„Ich bin organisiert in der Partei der
frierenden Laternenpfähle und in der Partei
der spottenden Götter. Mein Gesicht unter-
scheidet sich von den Gesichtern der anderen.“
„Du bist stolz darauf.“
„Und traurig, Meta.“
Nun entzünden sich Fackeln. Das Flackern
reißt die Fassaden aller Häuser mit in die
Bewegung. Das Lied, das gesungen wird,
mag die Marseillaise sein, oder „Brüder, zur
Sonne, zur Freiheit“. Jonny hört es halb,
er träumt von Barrikaden, von verblutenden
Knaben, auf die die Mütter weiße Rosen
decken.
Er biegt ab in die leere tote Gasse, zieht
Meta mit sich.
„Ein Diebstahl, Mädchen, daß wir uns tragen
lassen von fremdem Rausch. Ich suche nur
mich. Geh heim, ich werde mich in ein
leeres Cafe setzen und das Spiegelbild
meines Gesichts in den Wandspiegeln des
Cafes suchen. Geh, Meta.“
Jonny wandert um dreiundzwanzig Uhr.
Die Lippen flüstern: Mondlicht zerstreift
den Himmel. Mondlicht zerstreift den
Himmel.
Jonny denkt: Ich kann mich nirgendwo ent-
decken. Ich bin zu klein, um gesehen zu
werden ohne Lupe.
Südsee
Max Breuel
schwarze fische ziehen kreise
silber perlen sprudeln blasen
quallen
blaßgrün blau und golden
fallen
weiten
gleiten sacht
und stehn gelassen
dreht ein kork im Strudel leise
sonne gleist durch purpurne korallen
dunkle taucher
sinken
tasten
haie schrecken sie empor
runde äugen starren vor
nach dem boote hastig hände krallen
verborgen
schlafen wunder weiter hinter matten schalen
103
dem Zug.“
Was die tausend Wallfahrer zusammen-
schweißt, berührt auch Jonny. Es ist nur
ein Antasten. Denn Jonny marschiert neben
dem Zug, auf dem Bürgersteig. Die Wärme
des Eins zwingt ihn, Metas Hand zu fassen.
„Es ist gleich, ob der Führer die Dornen-
male des Christus auf der Stirn trägt, oder
die Narben der Schlacht, oder ob Gefangen-
schaft ihre gespenstische Farbe auf die harte
Stirn zeichnete. Wehe dem, der die Rela-
tivität der Dinge erfuhr. Denn der ist ohne
Pulsschlag.“
„Du frierst, Jonny.“
„Ich bin organisiert in der Partei der
frierenden Laternenpfähle und in der Partei
der spottenden Götter. Mein Gesicht unter-
scheidet sich von den Gesichtern der anderen.“
„Du bist stolz darauf.“
„Und traurig, Meta.“
Nun entzünden sich Fackeln. Das Flackern
reißt die Fassaden aller Häuser mit in die
Bewegung. Das Lied, das gesungen wird,
mag die Marseillaise sein, oder „Brüder, zur
Sonne, zur Freiheit“. Jonny hört es halb,
er träumt von Barrikaden, von verblutenden
Knaben, auf die die Mütter weiße Rosen
decken.
Er biegt ab in die leere tote Gasse, zieht
Meta mit sich.
„Ein Diebstahl, Mädchen, daß wir uns tragen
lassen von fremdem Rausch. Ich suche nur
mich. Geh heim, ich werde mich in ein
leeres Cafe setzen und das Spiegelbild
meines Gesichts in den Wandspiegeln des
Cafes suchen. Geh, Meta.“
Jonny wandert um dreiundzwanzig Uhr.
Die Lippen flüstern: Mondlicht zerstreift
den Himmel. Mondlicht zerstreift den
Himmel.
Jonny denkt: Ich kann mich nirgendwo ent-
decken. Ich bin zu klein, um gesehen zu
werden ohne Lupe.
Südsee
Max Breuel
schwarze fische ziehen kreise
silber perlen sprudeln blasen
quallen
blaßgrün blau und golden
fallen
weiten
gleiten sacht
und stehn gelassen
dreht ein kork im Strudel leise
sonne gleist durch purpurne korallen
dunkle taucher
sinken
tasten
haie schrecken sie empor
runde äugen starren vor
nach dem boote hastig hände krallen
verborgen
schlafen wunder weiter hinter matten schalen
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