durch besondere Zuwendung der Kollektiv-
idee abtrünnig zu machen. Die Bauern
sind aber indessen klüger geworden. Sie
übersehen bereits die Vorteile der Gemein-
schaftsarbeit. Umsomehr, als die Kollektiv-
wirtschaften und nur sie kontraktartige
Vorauszahlungen auf die Ernte bis zu drei
Jahren erhalten. Fast in jedem Dorf gibt
es bereits ein Komitee zur Hebung der
Landwirtschaft. Der Nachfrage nach Fach-
männern, Agronomen, kann nicht genügt
werden. Die Bauern gehen in die land-
wirtschaftlichen Hochschulen, um sich Auf-
klärung und Information zu verschaffen.
Sie besuchen die Mustergüter des Staates
(Sowchos) und verwenden die dortigen
Erfahrungen für sich. Und die neue Idee
des sozialistischen Wettbewerbs findet auch
auf den Dörfern Anklang. Etwas, was es
in Europa nur im sportlichen Wettbewerb
gibt. Es wetten nicht nur Dörfer im Auf-
bau und in Qualität der Arbeit miteinander,
es wetten ganze Provinzen und ganze
Länder. Man kommt zur Vereinbarung
der Wette zusammen und kontrolliert nach
dem festgesetzten Zeitraum gegenseitig
die Resultate. So wird der Widerstand
der Kulaken immer mehr gebrochen. Es
hat keinen Zweck mehr für ihn, landwirt-
schaftliche Produkte zurückzuhalten und
zu speichern, da sie eben von anderer
Seite bezogen werden können. Man hat
ihm das billigste Futtermittel, das Brot,
entzogen, indem man in den Städten und
Gemeinden Brotkarten einführte. So ergab
sich durch Verfutterung des Brotes die
Groteske, daß die Stadt Moskau mit kaum
der halben Einwohnerzahl während dieses
Jahres mehr Brot verbrauchte als Berlin.
Natürlich ergeben sich durch die Aufbau-
kämpfe Schwierigkeiten. Aber deutlich ist
zu übersehen: Der Endsieg des Proletariats
in SSSR ist gesichert.
Kleinstadt in der Ukraine
Herwarth Walden
Großes Leben in der Kleinstadt. Markttag.
Viele Bauernwagen. Junge Pferdchen staunen.
Behäbige Kühe schauen verwundert durch die
Fenster in die Stadtpracht. Schweine prome-
nieren träge, den Blick sachlich nach unten
gerichtet. Hühner und Enten stolzieren auf
den Stufen vor den Häusern. Obst und Gemüse
wächst unmittelbar aus dem Pflaster und wölbt
sich zu Hügeln. Schaftstiefel und Schafpelze
baumeln an Leiterwagen. Fleischmassen und
Teppiche in Bretterbuden. Dazwischen Bauern-
töpfe, Blechwannen und Eierkiepen. Alte
Bäuerinnen haben es sich auf der Erde un-
bequem gemacht und verkaufen aus Säcken
getrocknete Sonnenblumenkerne. Ein uraltes
sehr beliebtes Genußmittel. Die Kunden und
Kundinnen der Kleinstadt gehen mit Körben
und Netzen kritisch und wählerisch herum,
entschließen sich zu Kalbskeulen, das Pfund
25 Kopeken oder zu einem Schock Eier für
zwei Rubel fünfzig Kopeken. Kinder springen
ohne Verkehrsreglung über Hühner und Töpfe.
Juden aus alten Ölgemälden besprechen den
Ernst der Zeit. Besprechen ihn mit den Bauern.
Jetzt sind nähmlich hier alle Menschen gleich
und gleichberechtigt. Die jungen Juden ernten
nicht mehr nur im Laden, sondern auch auf
dem Felde. Nur die Alten können sich in ihrer
71
idee abtrünnig zu machen. Die Bauern
sind aber indessen klüger geworden. Sie
übersehen bereits die Vorteile der Gemein-
schaftsarbeit. Umsomehr, als die Kollektiv-
wirtschaften und nur sie kontraktartige
Vorauszahlungen auf die Ernte bis zu drei
Jahren erhalten. Fast in jedem Dorf gibt
es bereits ein Komitee zur Hebung der
Landwirtschaft. Der Nachfrage nach Fach-
männern, Agronomen, kann nicht genügt
werden. Die Bauern gehen in die land-
wirtschaftlichen Hochschulen, um sich Auf-
klärung und Information zu verschaffen.
Sie besuchen die Mustergüter des Staates
(Sowchos) und verwenden die dortigen
Erfahrungen für sich. Und die neue Idee
des sozialistischen Wettbewerbs findet auch
auf den Dörfern Anklang. Etwas, was es
in Europa nur im sportlichen Wettbewerb
gibt. Es wetten nicht nur Dörfer im Auf-
bau und in Qualität der Arbeit miteinander,
es wetten ganze Provinzen und ganze
Länder. Man kommt zur Vereinbarung
der Wette zusammen und kontrolliert nach
dem festgesetzten Zeitraum gegenseitig
die Resultate. So wird der Widerstand
der Kulaken immer mehr gebrochen. Es
hat keinen Zweck mehr für ihn, landwirt-
schaftliche Produkte zurückzuhalten und
zu speichern, da sie eben von anderer
Seite bezogen werden können. Man hat
ihm das billigste Futtermittel, das Brot,
entzogen, indem man in den Städten und
Gemeinden Brotkarten einführte. So ergab
sich durch Verfutterung des Brotes die
Groteske, daß die Stadt Moskau mit kaum
der halben Einwohnerzahl während dieses
Jahres mehr Brot verbrauchte als Berlin.
Natürlich ergeben sich durch die Aufbau-
kämpfe Schwierigkeiten. Aber deutlich ist
zu übersehen: Der Endsieg des Proletariats
in SSSR ist gesichert.
Kleinstadt in der Ukraine
Herwarth Walden
Großes Leben in der Kleinstadt. Markttag.
Viele Bauernwagen. Junge Pferdchen staunen.
Behäbige Kühe schauen verwundert durch die
Fenster in die Stadtpracht. Schweine prome-
nieren träge, den Blick sachlich nach unten
gerichtet. Hühner und Enten stolzieren auf
den Stufen vor den Häusern. Obst und Gemüse
wächst unmittelbar aus dem Pflaster und wölbt
sich zu Hügeln. Schaftstiefel und Schafpelze
baumeln an Leiterwagen. Fleischmassen und
Teppiche in Bretterbuden. Dazwischen Bauern-
töpfe, Blechwannen und Eierkiepen. Alte
Bäuerinnen haben es sich auf der Erde un-
bequem gemacht und verkaufen aus Säcken
getrocknete Sonnenblumenkerne. Ein uraltes
sehr beliebtes Genußmittel. Die Kunden und
Kundinnen der Kleinstadt gehen mit Körben
und Netzen kritisch und wählerisch herum,
entschließen sich zu Kalbskeulen, das Pfund
25 Kopeken oder zu einem Schock Eier für
zwei Rubel fünfzig Kopeken. Kinder springen
ohne Verkehrsreglung über Hühner und Töpfe.
Juden aus alten Ölgemälden besprechen den
Ernst der Zeit. Besprechen ihn mit den Bauern.
Jetzt sind nähmlich hier alle Menschen gleich
und gleichberechtigt. Die jungen Juden ernten
nicht mehr nur im Laden, sondern auch auf
dem Felde. Nur die Alten können sich in ihrer
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