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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 12.1912/​1913

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Heft 43
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Redaktioneller Teil
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Ratzka, Clara: Verkaufszentrale der wirtschaftlichen Organisation der deutschen Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.53854#0603

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XII, Heft HZ.

Die Werkstatt der Kunst.

591

Redaktioneller Teil.

Verk»uis;entrslen cler vvirtkcksktlicken
Das Heft Nr. H2 der „Werkstatt der Kunst"
(28. Juli 1913) bringt wünsche eines Kunstfreundes
für die wirtschaftliche Organisation der Künstler.
Der Einsender tritt für die Gründung einer Ver-
kaufsgenossenschaft bildender Künstler ein, die zu-
nächst einmal in den größten deutschen Städten Aus-
stellungs- und Verkaufsräume unterhielte. Ein
derartiger plan, den man gar nicht warm genug
unterstützen*) kann, hätte meines Erachtens auch noch
den besonderen wert, daß er gerade das besitzt,
was einer Organisation viele Anhänger verschafft:
er hat eine ungeheuere Werbekraft, da er dem
Gros der Künstler gerade das gibt, was es braucht,
nämlich ständige, zuverlässige, lediglich im Inter-
esse der Künstler geleitete Ausstellungs- und
Verkaufsmöglichkeiten und zugleich eine Organisation,
die die Schmutzkonkurrrenz minderwertiger Kunst-
handelsunternehmungen niederzwingen kann.
Nun werden manche sagen, das alles ist Sache
des anständigen bestehenden Kunsthandels. Gewiß,
man könnte diese Ansicht mit gewissen Einschrän-
kungen vertreten, wenn man die Tatsache zugleich
genügend würdigt, daß der Kunsthandel in erster
Linie doch selbstverständlich sein eigenes Interesse
im Auge hat. Kunsthandel ist doch keine gemein-
nützige Unternehmung! Der Kunsthandel, wie er
bis jetzt betrieben wurde, weist aber auch zwei nicht
unerhebliche Mängel auf.
Er hat einmal der guten, ernsten, ehrlichen künst-
lerischen Arbeit nicht in genügender weise Eingang
in das kaufende Publikum verschafft, und er hat es
zweitens nicht zu verhindern vermocht, daß das kunst-

H Anmerkung der Schriftleitung:
Derartige zustimmende Kundgebungen sind uns aus
allen Teilen Deutschlands zugegangen, wir greifen den
vorliegenden Artikel von Frau vr. Ratzka-Lrnst heraus,
da er außerdem ein wichtiges statistisches Material
über die Berliner Verhältnisse bringt. Die Mit-
glieder der A. D. K. G. erhalten eine solche Verkaufsstelle
ja demnächst und scheiden daher als Teilnehmer an etwa
neu zu gründenden Unternehmungen aus. (vergl. den
Amtlichen Teil dieser Nummer.) Ls ist überdies ganz
ausgeschlossen, daß die Erörterung derartiger Pläne
an dieser Stelle, die seit vielen Jahren fortgesetzt wird
und manche wertvolle Anregung zutage gefördert hat,
irgendeine Störung der geschäftlichen Pläne der
A. D. K. G. beabsichtige oder unabsichtlich zur Folge haben
könnte, denn von einer Umsetzung dieser theoretischen Er-
wägungen in die Praxis ist bisher noch gar nichts ver-
lautet und könnte, selbst wenn sie jetzt in Angriff ge-
nommen wird, das weit fortgeschrittene Unternehmen
der A. D. K. G. ganz sicher nicht beeinträchtigen. Immer-
hin scheint aber in den Kreisen der zahlreichen freien
Abonnenten unseres Blattes der Wunsch zu bestehen,
in Zukunft auch solche Verkaufsgelegenheiten sich zu schaffen.
Bis jetzt ist aber nur von Verkaufsstellen in großen
Städten die Rede gewesen, während ja die A. D. K. G. die
kleinen Grte, in denen die Kunstxflege noch ganz im
argen liegt, aufzusuchen beabsichtigt.

Organisation cier cieullcben Rünltler
liebende Publikum, soweit es selbst kein oder nur
wenig künstlerisches Verständnis hatte, durch Schau-
stellungen und Anpreisungen der „Auch-Kunsthändler"
in falsche Bahnen gelenkt wurde und Sachen kauft,
die wenig oder nichts mit Kunst zu tun haben, und
zwar zum Teil für Preise, für die auch schon wirk-
liche Kunstwerke zu haben wären. Hier müßte die
Genossenschaft der Künstler aufklärend und praktisch
tätig eingreifen.
Die guten Kunsthandlungen zu bekämpfen wäre
ein Unding und würde gegen das Interesse der Künst-
ler verstoßen. Sie können und müssen aus ver-
schiedenen Gründen, die aufzuzählen an dieser Stelle
zu weit führen würde, neben den Verkaufsstellen
des Verbandes bestehen bleiben, was diese Ver-
kaufsstellen verdrängen sollten, das ist eine andere
Art Kunsthandel, dessen „wert" man begreift, wenn
man die Tatsachen näher rückt. Dafür ein Bei-
spiel.
Bevor die Versammlung zur Gründung der
Wirtschaftlichen Organisation der Künstler
einberufen wurde, wurde eine Kommission damit
beauftragt, den Berliner Kunsthandel zu unter-
suchen. Das war eine äußerst mühevolle Aufgabe,
der sich mehrere Berliner Künstlerinnen und die
Schreibern: dieser Zeilen unterzogen. Man ver-
traute mir das Material zur Bearbeitung
an, und abgesehen davon, daß Herr Kayser-Eich-
berg in seinem Referat über den Kunsthandel bei
Gelegenheit der Gründungsversammlung einige Zah-
len aus diesem Material benutzte, ist es noch nicht
veröffentlicht worden. Um die „Winke" in Nr. ^2
der Werkstatt der Kunst zu unterstützen, scheint es
mir aber angebracht zu sein, noch einige weitere
knappe Angaben zu machen.
Nach dem Berliner Adreßbuch von s9(2 be-
zeichneten sich s5O Geschäfte als Kunsthand-
lungen. Sie wurden planmäßig recherchiert. Für
die Zwecke der Enquete kamen nicht alle diese Ge-
schäfte in Betracht. Ls schieden aus: sH Geschäfte,
die lediglich Handel mit Reproduktionen betreiben,
9 Kunstoerlagsanstalten, 5 Antiquitätenhandlungen,
die nur gelegentlich auch alte Bilder vertreiben, und
5 Geschäfte, die lediglich sogenannte „Alte Meister"
führen. Vier der nach dem Adreßbuch auch geführten
Kunsthändler waren gestorben, und 32 nach Anfang
1912 im Adreßbuch als Kunsthandlungen geführte
Firmen waren März 19s3 nicht mehr auffind-
bar. von 8 dieser Firmen konnte festgestellt werden,
daß sie in Konkurs geraten waren; von den übrigen
2H Händlern konnte Näheres nicht ermittelt werden.
Erfahrungsgemäß tauchen in Berlin alljährlich, be-
sonders in der Winterzeit und speziell vor Weih-
nachten, eine ganze Reihe sogenannter Kunstläden
auf, die kein langes Leben haben, aber Unheil genug
 
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