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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Beissel, Stephan: Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0138

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211

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

212

Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik.

I.

zu helfen zum Gebet, zum Verständnifs der

as Mittelalter bezweckte wohl für die
meisten, vielleicht für alle Kirchen
eine farbige Ausstattung. In der
romanischen Kunst verlangten vor
allem Wände, Gewölbe, dann auch die Fenster
ihre Gemälde. Während der gothischen Periode
forderten die Fenster, sobald sie zu riesiger
Gröfse angewachsen waren, nothwendig eine
farbige Ausfüllung. Eine Bemalung der archi-
tektonischen Theile gab ihnen die entsprechende
Umgebung. Blieb für eigentliche Wandmalerei
verhältnifsmäfsig weniger Raum als früher, so
boten doch die Säulen, Gewölbe und Schlufs-
steine, die Altäre, Grabmäler und Chorschranken
den Malern und Bildhauern Gelegenheit genug,
ihre Kunst zu üben. In den Fenstern konnten
die Glaswirker die alten Mosaikarbeiten sogar
überbieten.

Der Sinn für farbige Ausstattung wächst in
erfreulicher Weise. Zeugen dafür sind vor allem
die zahlreichen neuen Glasgemälde. Zeugen sind
auch manche bereits ganz bemalte Dome und
Kirchen. Viele Kirchen warten aber noch auf
ihre polychrome Ausstattung, theils weil man
sich nicht klar ist, was man machen soll,
theils weil die rechten Künstler fehlen oder die
Geldmittel nicht ausreichen. Um der ersten
Schwierigkeit in etwa zu begegnen, versuchen
wir darzulegen, welche Grundsätze, nach Aus-
weis alter Vorbilder, wohl für Aufstellung von
Statuen und für die Bemalung der Wände oder
Gewölbe sowie für gebrannte Fenster zu be-
folgen wäre. Zweck unserer Arbeit ist also
nicht eine Statistik oder Beschreibung möglichst
vieler und verschiedener Versuche figuraler Aus-
stattung, sondern eine Zusammenstellung des
Gemeinsamen, woraus sich Regeln und feste
Anhaltspunkte ergeben können.

Um nun die in der historischen Entwicklung
bleibenden Elemente desto leichter zu finden,
werden wir von einem sicheren Prinzip auszu-
gehen haben. Nach christlicher Auffassung ist
die Kunst nicht Selbstzweck, sondern nur eines
der vielen irdischen Mittel der Bildung und
Veredelung des Menschen. In katholischen
Kirchen müssen also Malereien und plastische
Bildwerke sich dem Ziel und Zweck des Gottes-
hauses d.h. dem liturgischen Gottesdienst
unterordnen. Sie sind da, um der Gemeinde

Predigt und vor allem zur würdigen Feier des
in festlicher Weise dargebrachten Mefsopfers.
Der Altar mufs stets der Mittelpunkt sein, von
dem Alles ausgeht und auf den Alles hinweist.
Durch ihn wird das Chor zum wichtigsten Glied.
Es mufs demnach bei der Ausmalung hervor-
gehoben und am reichsten behandelt werden.
Im Chore selbst beanspruchen dann die Wand
und das Fenster hinter dem Altare sowie das
Gewölbe über dem Tabernakel die vorzüglichste
Sorge, weil sie Allen stets vor Augen stehen
und dem Opfertisch des Gottessohnes als Hinter-
grund dienen.

Die meisten Kirchen haben nun mehrere
Altäre, dementsprechend mehrere Räume, welche
diese Altäre einschliefsen. Das Mittelalter nannte
nicht nur jenen Bautheil „Chor", worin der
Hauptaltar sich befand, sondern auch jeden an-
dern, der einen Altar enthielt. So heifst in
mittelalterlichen Schriften sogar der Theil eines
Seitenschiffes, worin der Altar eines Heiligen
steht, „Chor" dieses Heiligen. Folgerichtig wird
jedes Seitenchor, ja jeder andere Abschnitt einer
Kirche sich nach seinem Altare zu richten haben.
Im Mittelschiff stand nur der Kreuzaltar. Andere
Seitenaltäre lehnten sich höchstens an die zwischen
Mittelschiff und Seitenschiff stehenden Pfeiler.
Die Seitenschiffe füllten sich mehr und mehr
mit Altären, ja man baute an sie Kapellen, um
passenden Raum für neue Altäre zu gewinnen.
Wir müssen darum die Frage nach der Aus-
stattung einer Kirche in Unterabtheilungen zer-
legen und unsere Untersuchung zuerst auf das
Hochchor, dann auf das Mittelschiff, auf
die Seitenchöre und endlich auf die Seiten-
schiffe lenken.

1. Die Ausmalung der Apsis.

Jeden aufmerksamen Beobachter mufs die
Thatsache überraschen, gleich im frühesten in
gröfserem Stil farbig ausgestatteten kirchlichen
Gebäude das Grundmotiv zu finden, an dessen
Ausbildung das folgende Jahrtausend arbeitete.
Dies Gebäude ist die runde Grabkirche der
Constanze bei S. Agnese vor den Mauern
Roms. Zwei ihrer Apsiden haben ihre MosaikenJ)

!) Für die Datirung der römischen Mosaiken werde
ich mich an das grofse Prachtwerk de Rossis' halten:
»I musaici cristiani«. In ihm sind alle vor dem
 
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