Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

DOI Artikel:
Beissel, Stephan: Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0159

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
245

1894. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

246

Kaiser Justinian und Maximian, den Nach-
folger des Eclesius, auf der Frauenseile die
Kaiserin. Alle drei sind umgeben von ihrem
Gefolge und bringen kostbare Altargeräthe. Die
so schon in vier Hauptfiguren zur Darstellung
gebrachte Idee des Opfers wird weiter ent-
wickelt in vier Szenen; denn in der Mitte der
Seitenwände opfert Abel sein Lamm, Melchi-
sedech Brod, Abraham bringt den drei Engeln
wiederum ein Lamm und will Gott, dem Herrn,
seinen Sohn Isaak hingeben. Oben im Ge-
wölbe tragen dann vier, zwischen herrlichen
Ranken stehende Engel einen Kranz, worin
wir das Lamm Gottes erblicken. Alles steht
offenbar in Beziehung zum eucharistischen Opfer
des Altares. Den obern Theil der Seitenflächen
nehmen die Evangelisten, ihre Symbole und
vier Propheten ein. In der Laibung des Chor-
bogens endlich sind die Brustbilder Christi,
seiner zwölf Apostel sowie der hh. Gervasius
und Protasius in Medaillons eingefügt.

Die Bilder der Opfer Abels, Melchisedechs
und Abrahams sind in ähnlicher Art im Chor
von S. Apollinare in Classe bei Ravenna ge-
schildert. Da heute der Hochaltar fast stets
auch Sakramentsaltar ist, und da die sakramen-
talen Andachten viel häufiger geworden sind,
dürfte es wohl angezeigt sein, im Chore mehr
als bisher auf das hl. Mefsopfer und die be-
ständige Gegenwart Christi Rücksicht zu nehmen.
Es würden demnach die prophetischen Stellen
und Vorbilder des Alten Bundes, die auf das
heiligste Sakrament sich beziehenden Berichte
der Evangelisten, entsprechende Züge aus der
Geschichte der Kirche und der Heiligen und
hie und da wenigstens die im Morgenlande
so oft dargestellte „göttliche Liturgie"1) auf den
Wänden und im Chore zu verwenden sein.
Dabei wird man leicht auch für die Patrone
der Kirche, der Stadt und der Gegend einen
passenden Platz finden. Bietet ihre Lebens-
beschreibung eine Beziehung zum heiligsten
Sakrament, so wird sich alles leicht machen.
Ist jene Beziehung nicht vorhanden, so darf
das nicht abhalten, ihnen im Chor einen passen-
den Ehrenplatz zu suchen. Man wird ein-
wenden, durch solches Anbringen der Schutz-
heiligen werde die Einheit des sakramentalen
Cyklus gestört. Man wird sich zur Begrün-
dung dieses Einwandes auf die Nothwendigkeit

') «Handbuch der Malerei vom Berge Athos»,
Trier 1855, S. 282 ff.

einer streng logisch und systematisch zuge-
schnittenen Schablone stützen. Die Vorzeit
hat sich aber bei Ausmalung von Kirchen stets
eine größere Freiheit gewahrt und sich dadurch
vor Langeweile geschützt. Wer nur einem
Gesichtspunkte gerecht werden will, wird andere
berechtigte Forderungen unerfüllt lassen, also
empfindliche Lücken schaffen; der Logik wird
er entsprechen können, auf Poesie und Reich-
haltigkeit jedoch verzichten müssen.

4. Ausstattung des Mittelschiffes.

Wie nahe liegt die Versuchung, das Chor
als Ende des Mittelschiffes zu behandeln, also
dem Cyklus des Schiffes im Chore, in dessen
Apsidengewölbe oder gar in dessen Fenstern,
einen Abschlufs zu geben. Die Vorzeit hat bei
ihren Malereien gerne das Mittelschiff als Ganzes,
stets aber als für sich bestehenden Raum be-
handelt. Am schärfsten ist das in S. Apollinare
nuovo in Ravenna betont; denn dort zieht
oben im Mittelschiff auf der Epistelseite eine
Prozession heiliger Jungfrauen zum Chore hin,
während auf der Evangelienseite heilige Männer
sich dem Altare nähern. Und doch fanden die
beiden Glieder dieser grofsartigen Prozession
nicht im grofsen, jetzt verschwundenen Christus
der Chorapsis ihren Zielpunkt. Der Mosaizist
setzte vor das Chor, an das Ende des Mittel-
schiffes auf die Frauenseite ein von vier Engeln
begleitetes Bild der thronenden Gottesmutter,
auf die Männerseite aber den ebenfalls zwischen
vier Engeln thronenden Heiland. So gehen die
Jungfrauen zu Maria, die Männer zu Christus.
Die beiden Zielpunkte des Zuges bleiben aber
im Mittelschiff.

Eine ähnliche Prozession malte Flandrin,
einer der bedeutendsten französischen Künstler
der letzten Zeit, auf die Wände des Mittel-
schiffes von S. Germain des Pre"s zu Paris.
Wenn die Oberfenster Einzelgestalten von
Heiligen erhalten, ist jene in Ravenna begonnene,
in der Allerheiligenlitanei liturgisch fixirte Idee
festgehalten. Man wird freilich in gothischen
Kirchen ohne Querhaus, in denen die obere
Fensterreihe von Westen bis Osten eine archi-
tektonisch zusammengehörende Vielheit bildet,
Vertreter der einzelnen Klassen der Heiligen
in jene Fenster setzen dürfen und im Ostchore
mit der zwischen Maria und Johannes d. T.
(oder Petrus oder Joseph) gestellten Figur Christi
schliefsen können. In diesem Falle sind oben
 
Annotationen