Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

DOI Artikel:
Beissel, Stephan: Ueber die Ausstattung des Innern der Kirchen durch Malerei und Plastik, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0160

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
247

1894.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

248

Schiff und Chor ikonographisch nicht von ein-
ander getrennt.

Seit Alters werden bei der Weihe einer
Kirche auf die Wände dort zwölf Kreuze ge-
malt, wo der Bischof sie mit Chrisma gesalbt
hatte. Vor den Kreuzen befestigte man Leuchter,
deren Kerzen bei festlichen Gelegenheiten
brannten. Die alten Liturgiker sahen in den
Kreuzen und Lichtern die Sinnbilder der Apostel
und ihrer Lehren.2) Oft hat man nun bei diesen
Kreuzen auch noch die Bilder der Apostel an-
gebracht, z. B. in Vordernberg in Steiermark. Ja
man ging noch weiter und malte neben jeden
Apostel jenes Glaubensgeheimnifs, welches in
dem ihm zugeschriebenen Artikel des Credo
gelehrt wird. Dies geschah z. B. in der bereits
oben erwähnten Kirche zu Heinrichs bei Suhl.
In Partenheim in Rheinhessen sind die Apostel
mit dem Credo im Gewölbe dargestellt,8) in der
Kirche zu Ameneharads-Rada4) auf den Wänden
des Mittelschiffes. In zahlreichen Kirchen stellte
man an den Pfeilern oder an den Säulen des
Mittelschiffes die Figuren der Apostel auf, in
anderen malte man sie wenigstens hin. Freilich
werden die Weihekreuze an den Wänden an-
gebracht, und so würden die Bilder der Apostel
mit ihren Artikeln eigentlich in die Seiten-
schiffe gehören. Weil aber die Säulen, worauf
ja der ganze Kirchenbau ruht, Sinnbilder der
Apostel sind, weil das Credo als Hauptsache
einen Ehrenplatz verdient, und man überdies
die Apostel nicht zweimal anbringen kann, wird
es in den meisten Fällen gerathen sein, Säulen,
Wände, hier oder da auch die Gewölbe des
Mittelschiffes mit den Darstellungen der Apostel
und der im Credo betonten Geheimnisse zu zieren.

Hat man mehr als zwölf Pfeiler oder Stellen,
so ist der überzählige Raum leicht zu füllen
mit den Gestalten der Evangelisten, Kirchen-
lehrer und Patrone. Den Glaubensartikeln ent-
sprechende Szenen würden sich leicht, als Anhang
zum Credo, aus den Geboten, Gebeten oder der
Kirchengeschichte anreihen lassen.

2) »St. Gregorii Magni über sacramentorum. Ordo
ad ecclesiam dedicandam«, Migne, Patrolog. LXXVIII
col. 157, cfr. col. 419 nota 558; »Petri mianiDa
sermo« 69 et 72, 1. c. CXLIV col. 900 et 908; »Ivonis
Carnotensis sermo« 4, 1. c. CLXII col. 534; »Duran-
di rationale« Hb. I c. 6 n. 27 s. etc.

3) Schneider im »Korrespondenzblatt des Ge-
sammtvereins der deutschen Geschichts- und Alter-
thumsvereine« (L874) V n. 3.

*) Maldegren a. a. O. Tafel 14 f.

Wer statt der systematisch geordneten Artikel
des Glaubensbekenntnisses eine rein geschicht-
liche Reihenfolge vorzieht, darf sich auf ältere
und wohl auch zahlreichere Beispiele berufen.
Man kann, wie in Oberzell auf der Reichenau,
Szenen aus dem öffentlichen Leben Christi
schildern,5) wie in S. Martino (Apollinare nuovo)
in Ravenna zum öffentlichen Leben die Leidens-
geschichte hinzunehmen, oder wie in S. Marco
zu Venedig und in Mon reale das ganze Leben
Christi darstellen lassen. In S. Maria Maggiore
zu Rom ist nur die Geschichte Abrahams, Isaaks,
Jakobs, Moses' undjosuas gegeben. Besser würde
es sein, auf der Epistelseite Szenen aus dem
Alten Bunde, auf der Evangelienseite solche aus
dem Neuen Bunde zu bieten. Dies war z. B. in
S. Peter der Fall. Noch heute sind in der
schwedischen Kirche Bjeredjö auf der Evangelien-
seite sieben im XIII. Jahrh. gemalte Szenen
aus der Geschichte der Stammeltern und des
Moses, auf der Epistelseite eben so viele aus
Christi Leben erhalten. In S. Savin hat man die
Bilder aus dem Alten Bunde in die Gewölbe,
jene der Apokalypse in der Vorhalle, einige
der Leidensgeschichte in die Tribüne gemalt.6)

Wenn ich eben vorschlug, die Szenen aus
dem Neuen Bunde auf die nördliche Wand,
nicht, wie dies früher Sitte war, auf die südliche
zu setzen, so geschah dies, weil sie heute als
Evangelienseite gilt. Es scheint doch passend,
sich nach dieser neuen Bezeichnung zu richten
und Bilder des Alten Bundes dort anzubringen,
wo die Abschnitte aus den Schriften des Alten
Bundes ausschliefslich verlesen werden. Solche
Abweichungen von der alten Ikonographie darf
man sich wohl aus wichtigen Gründen gestatten.
Jene Geschichten werden vorzugsweise zu
schildern sein, welche in den kirchlichen Peri-
kopen vorkommen; denn auf sie legt die Kirche
das meiste Gewicht und sie sind dem Volke
verständlicher. Viele mittelalterliche Kirchen
gehörten Ordensleuten oder Stiftsgeistlichen

5) Vgl. die werthvolle Publikation von Kraus
»Die Wandgemälde der St. Georgskirche u. s. w.<r,
Herder, Freiburg 1884. Ueber die Cyklen Karolin-
gischer Kirchen vgl. Schlosser „Schriftquellen zur
Geschichte der Karolingischen Kunst", Quellenschriften.
Neue Folge IV. 321 f.; Leitschuh »Geschichte der
Karolingischen Malerei«, Berlin 1894 S. 54 f. u. s. w.
6) Maldegren Tafel 4—G; Merimee »Notice
sur les peinturcs de l'eglise de Saint-Savin«, Paris 1845;
Gelis-Didot et Laffillee »La peinture decorative«,
Paris 1892.
 
Annotationen