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Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

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Hase, Conrad Wilhelm: Der hölzerne Reliquenschrein des Klosters Loccum
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https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0212

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329

1894.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

330

hat und durch Querwände ganz von den Seiten-
theilen getrennt ist, besonders werthvolle Re-
liquien standen, ist wohl anzunehmen, weshalb
auch der Giebel mit auszeichnendem, schönem
Portale geschmückt ist.

Hinter den Basen der vorderen drei Giebel
(also an der Rückseite der Vorderwand), an
der Stelle, wo das Risalit beginnt, wachsen
sechs Thürmchen in dünnen Holzpflöcken be-
ginnend, sich durch hohlkehlenförmige Ver-
stärkung zum Achteck erweiternd, und dann
Thürmchengestalt annehmend hervor.
Diese Thürmchen (Abbild. 3) sind
mit sehr weiten Oeffnungen ver-
sehen, so, dafs ihre, den Achtecks-
kanten entsprechenden Stützen (Pfei-
lerchen mit zierlichen Kapitälchen)
aufserordentlich zart erscheinen. Das
Hauptgeschofs ist sehr hoch; am
oberen Ende sind die acht Oeff-
nungen durch Spitzbögen geschlossen
(in dem Bilde sind die Spitzbögen
kaum zu erkennen) und innerhalb
der Spitzbögen zeigt sich, etwas hinter
die Spitzbögen zurücktretend, sehr
wirksam die Form des halben Klee-
blattes, welches den eigentlichen
Fensterschlufs in deutlicher Form
erkennen läfst. Ueber dem Spitz-
bogenschlusse zieren Giebelgesimse
den hohen Saal des Thurmes, über
welchem ein horizontaler Schlufs
durch auskragende Gesimse gebildet
wird, auf deren erweiternder Aus-
ladung sich mit etwas weiterem
Durchmesser, als ihn der hohe Unter-
bau hat, die Laterne des Thurmes auf-
baut. Jede Seite der Laterne ist von
je drei im Spitzbogen schliefsenden
Fenstern durchbrochen, mit wechselnder Schlufs-
form, so zwar, dafs einmal das mittlere Fenster
bis zur Giebelspitze hinansteigt, das andere Mal
die drei Fenster in horizontaler Linie schliefsen
und der Dreieckszwickel des Giebels dann mit
Kleeblattform geziert wird. Diese überaus zier-
liche Fensteranlage ist übrigens nur im Relief
hergestellt, und die dunklen Oeffnungen der
Fenster sind mit schwarzer Farbe kenntlich
gemacht. Es mag noch darauf aufmerksam
gemacht werden, dafs die in den beiden Ge-
schossen des Thurmes vorkommenden Spitz-
bögen die einzigen sind, welche an dem Schreine

auftreten. —Von den Giebeln aufwärtsgehend
enden die Thürme in schlanker sternartig
geschnittener Pyramide, gekrönt durch einen
runden Knopf.

Auch die beiden Seitengiebel wie die beiden
halben Giebel enden mit runden Knöpfen. Der
Mittelgiebel dagegen zeigt in seiner Knopf-
bildung eine besondere Auszeichnung, im We-
sentlichen darin bestehend, dafs die Würfelform
gewählt ist, an allen vier Seiten mit Giebeln
versehen, deren jeder einen grofsen Stein in
seinem Giebelfelde hat (abwechselnd
roth und grün bemalt). (Abbild. 4.)
Die eben genannten Giebel enden
mit runden Knöpfen; zwischen den
Giebeln steht je ein kleines Thürm-
chen, dessen Dachspitze wieder mit
Knöpfchem belebt ist. Das viereckige
Helmdach des Thurmes ist endlich
mit Kugelform gekrönt.

Der ganze Reliquienschrein war,
mit Ausnahme der Dachfläche, die
wie oben berichtet in kobaltblauer
Farbe gestrichen und mit vergoldeten
Zeichen von Sonne, Mond und Ster-
nen belebt war, vergoldet. Anden
Aufsenflächen hatte die sehr schöne,
glatte Vergoldung stark gelitten,
während sie auf der Bretterschalung
besser erhalten war. Die vielen, in
den Ornamenten, Knöpfen etc. einge-
legten Steine waren abwechselnd roth
und grün bemalt. Die Rückseite des
Schreines hatte die natu rlicheE i c h e n-
holzfarbe behalten.1)

Abbild. 4. Giebelbekrönung

') [Nachdem Herr Bildhauer Seling,
der mir vor Kurzem seine Pläne zu einem
grofsen Reliquienaltar für den Osnabritcker
Dom vorlegte, meine Aufmerksamkeit auf den roma-
nischen Holzschrein von Loccum gelenkt halte, der
bis dahin auffallenderweise meiner Kenntnifs ganz ent-
gangen war, zögerte ich keinen Augenblick, den Alt-
meister, zu dessen Kompetenz in mehr als einer Hin-
sicht dieses merkwürdige Kultgerälh gehört, um dessen
Veröffentlichung in dieser Zeitschrift zu bitten. Die
wenigen Worte, welche ich der vortrefflichen, höchst
lehrreichen Beschreibung desselben beizufügen mir
erlaube, haben nur den Zweck, in Bezug auf dessen
vorbildlichen Werth einige Andeutungen zu machen.
Was sich in Deutschland und den Nachbarländern
aus der romanischen Epoche an hölzernem Mobiliar
noch erhalten hat, ist ebenso . einfach in der Aus
fuhrung, als spärlich an Zahl, und besteht nur in
einigen Truhen, Sakristeischränken und Resten von
 
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