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Zeitschrift für christliche Kunst — 29.1916

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Patzak, Bernhard: Andrea del Pozzos Umbau der Wiener Universitätskirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.4343#0032

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22

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 2

ANDREA DEL POZZOS UMBAU DER
WIENER UNIVERSITÄTSKIRCHE.

Mit Innenbild.
(Kunsthistorische Skizze.)

Im Jahre 1702 hatte der damals bereits weit und breit berühmte Malerarchitekt
und Jesuitenlaienbruder Andrea del Pozzo (geboren am 30. November 1642 in
Trient), den dringenden Einladungen des Kaisers Leopold I. folgend, Italien
verlassen, um es nie wieder zu sehen, und er war nach Wien übersiedelt1.

Bereits im Jahre 1703, nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, erst
1705, nahm der Künstler die im schwungvollsten Barockstil gehaltene Innenaus-
stattung der schon im Jahre 1631 ursprünglich in schlichten Renaissanceformen
erbauten Maria - Himmelfahrts- und Universitätskirche des Wiener Jesuiten-
kollegiums in Angriff2.

Das schon in seiner ursprünglichen Anlage dem römischen Vorbilde des ,,I1
Gesü" in Rom, der von einem Kapellenkranze umgebenen Hallenkirche, ent-
sprechende Gotteshaus erhielt von Pozzos Meisterhand eine in den zartesten
Farben abgetönte und goldstrahlende Inkrustierung aus Stucco lustro. . Die drei
Achsen tiefen Wandungen des etwas eingezogenen Presbytenums und die Stütz-
pfeiler des in je vier hochgeschwungenen Kapellenarkaden sich öffnenden Lang-
hauses wurden vermittels eleganter Pilaster gegliedert, deren Kanneluren unten
Pfeifenstege aufweisen. Ihre wohlproportionierten, durchaus nicht schwülstigen,
sondern ebenmäßig gestalteten Kompositkapitäle, mit unterem Blattkranz und
pfeifengeschmückten Kehlen am Halse, haben jene charakteristische Form, die,
wie wir aus Pozzos Perspektivwerk3 ersehen, vom Künstler selbst erfunden und
von ihm in römischen Kirchen zur Anwendung gebracht wurde. Auf diese Pilaster-
Ordnung setzt regelrechtes antikes Gebälk mit reich ornamentiertem Fries und
maßvoll verkröpftem Kranzgesims auf. Der saalartige Mittelraum der Kirche

1 Atti della I.R. Accademia di scienze lettere ed arti degh Agiati in Rovereto. Anno
Accademico CLXII. Serie III. Volume XVIII. Fascicolo I. Anno 1912 (Rovereto),
Seite 207 ff.: La vita del Padre Andrea Pozzo scntta da Francesco Baldinucci. (Studio del
Socio Prof. Dott. E. Benvenuti. S. 231.)

2 A. Ilg: Der Maler und Architekt P.Andrea dal Pozzo, in: Berichte und Mitteilungen
des Altertums-Vereines zu Wien, Band XXIII, Wien 1886, Seite 230, und H. T l e t z e , Andrea
Pozzo und die Fürsten Liechtenstein, Sonderabdruck aus der Festschrift des Vereines für
Landeskunde von Niederösterreich, Wien 1914, Seite 9, die der Angabe der „Feriae Aestivae
Rhetorum Viennensium", Wien 1725, folgten, hielten am Jahre 1705 fest. Das richtige Datum
fand ich jedoch in den „Annuae Litterae provinciae Austnae Societatis Jesu ab anno Domini
MDCCIII. (Wien, Bibl. Palat. Vind. Cod. 12098). Seite 51 : „Quo ad oeconomiae incrementa
ordimur a sacns, intus quae merito primum locum obtinet ipsamet Collegij hujus Ecclesia,
quae jam ohm a fundamentis educta, euocatusque nuper ex Urbe celeberri-
mus artifex idemque Societatis nostrae Coadjutor temporalis
eam in formam redegit, quae omninum admirationi prostet.
Renovata autem fuit haec sacra moles primum deforis..."
(es folgt eine ausführliche Beschreibung der Innendekoration).

3 Perspectivae pictorum atque architectorum, II. Pars . .'. Inventa, designata et primum
edita Romae a Fr. Andrea Puteo, S. J. (Ausgabe von G. C. Bodener) Augsburg 1709,
Figura 31.
 
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