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Zeitschrift für christliche Kunst — 29.1916

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Klingelschmitt, Franz Theodor: Mainzer Seidensticker am Ende des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.4343#0142

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 8

und 8 fehlen. Zu seinen Füßen Maria und Johannes, bei 1, 4 und 8 allein,
bei 2, 3 und 9 von 2 frommen Frauen, bei 5 und 6 von nur einer und dem Haupt-
mann begleitet. Einzig bei 7 erscheint Johannes allein und aus der Verbindung
mit dem Kruzifixus herausgerissen. Die Kreuzenden zeigen zweierlei Motive.
Entweder — und das ist das Gewöhnliche — erscheinen oben, rechts und links
Halbfiguren, die bei 4, 5, 6 und 10, dieselben sind: Bartholomäus, Petrus und
Paulus. Zweimal erscheint wie bei der Kasel in St. Stephan oben Gottvater.
Unten treten Heilige in ganzer und halber Figur auf. Das ist der eine und, wie ge-
sagt, der häufiger vorkommende Typ. Der andere, der nur von 1 und 8 repräsen-
tiert wird, belegt die Enden der Kreuzbalken mit wirkungsvoll zusammengedräng-
ten Passionsszenen. Zu dieser ikonographischen Verwandtschaft kommt die tech-
nische. Sämtliche Kaselkreuze sind in Plattstichstickerei mit Seide auf einem Grund
von spiralig gekräuselten Goldfäden ausgeführt. Was der ikonographische Befund
vermuten ließ, bestätigt der technische. Wir haben hier Erzeugnisse einer
Schule vor uns.

Einer Schule, die wir an den hier zusammengestellten Stücken allein schon
über rund 100 Jahre verfolgen können. Denn 7 gehört nach den Formen des
Baldachins, nach dem Kruzifixus und Johannes ins frühe XV. Jahrh. Noch vor
die Mitte des Jahrhunderts ist nach der Rüstung des hl. Georg 2 zu setzen 1, 3,
4, 5, 6, 9 und 10 gehören dagegen in seine zweite Hälfte. 8 aber ist nach seinen
Stilmerkmalen schon nach 1500 entstanden. Von allen ist es künstlerisch am
geringsten.

Die Entstehungszeit der Kaselkreuze deckt sich mit der, in der wir die Mainzer
Seidensticker bestimmt nachweisen können. Erhalten sind sie — mit Ausnahme
von 8 und 10, die aber wohl verschleppt sein können — in Mainz, Kiedrich,
Fritzlar und Ungedanken, die politisch zu dieser Stadt gehörten, sowie in Frank-
furt, das in lebhaftem künstlerischem Austausch mit der mittelrheinischen Metro-
pole stand, die, soweit ich sehen kann, dabei durchweg der gebende Teil war.
Schon Drach hat bei den Kaselkreuzen in Ungedanken rheinische Herkunft ver-
mutet23. Ist es nach vorstehenden Ausführungen zu gewagt, wenn man dafür
mittelrheinische setzt und diese, wie es scheint, sonst nicht mehr vorkommenden
Werke als Schöpfungen der Mainzer Seidensticker ansieht, und zwar als ihre
Spezialität für den gewöhnlichen Bedarf des Marktes, während die Hochrelief-
stickereien wie in St. Stephan ihre Glanzleistungen darstellen?
Mainz. Franz Theodor Klingelschmitt.

BÜCHERSCHAU.

Märchen in Feldgrau von Julie hat sie ersonnen, zunächst für ihre Schüle-
E r m 1 e r. Mit Bildern von Martha Ebe- rinnen, eine Zeichnerin hat sie si.houtten-
hng und einem Geleitwort von Prof. Dr. artig illustriert. — Unter dem symbolischen
Friedr. zur Bonsen. — L. Schwann in Titelbild eines mit sieben Medaillons be-
Düsseldorf. — Preis geb. M. 2.20. setzten, von zwei Kindern geschüttelten
In die liebliche Form harmloser Märchen Baumes führen sie sich ein, und jede der zehn
sind hier die gewaltigen politischen Ereig- Erzählungen ist von einer figurierten Initiale
nisse der letzten Jahre gehüllt; eine Lehrerin und Schlußvignette begleitet, sowie mit kleinen

2; A. a. O. S. 196.
 
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