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Zeitschrift für christliche Kunst — 29.1916

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Schnütgen, Alexander: Figurierte kölnische Bortenkasel
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https://doi.org/10.11588/diglit.4343#0095

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Nr. 6____________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. §1

FIGURIERTE KÖLNISCHE BORTEN»

KASEL.

(Mit Tafel V.)

Die kölnischen Borten, die bis ms XIII. Jahrh. zurückreichen und erst
gegen die Mitte des XVI. Jahrh. verschwinden — gemäß der nahezu
hundert Exemplare umfassenden Entwickelungsreihe im Schnütgen-
Museum — zählen zu den hervorragendsten Erzeugnissen der deutschen Webekunst
sowohl hinsichtlich ihrer technischen Ausführung, wie ihrer farbigen Zeichnung,
der ornamentalen, aber auch der figuralen, im Bunde mit der Stickerei. Nach
diesen Richtungen übertreffen sie sogar die italienischen und spanischen Webe-
borten des XIII.-—XV. Jahrh., die auch hinsichtlich der glänzenden Wirkung weit
hinter ihnen zurückstehen.

Ihren Zweck, ganz vornehmlich die kirchlichen Gewänder (Kasein, Dal-
matiken, Chormäntel) und Antipendien als Stäbe und Streifen zu schmücken,
erfüllten sie in der denkbar besten Weise, den durchaus soliden Seiden- und
Sammetbrokaten des Orients und Italiens an Festigkeit sogar noch gewachsen, so
daß selbst an manchen Paramenten des XV. Jahrh., deren Stoffe wie gestickten
Stäbe durch Verschleiß erheblich gelitten haben, die gewebten Borten durch-
weg vorzüglich erhalten geblieben sind, auch die zum Teil bestickten nicht aus-
genommen.

Wenn es sich nämlich um die Anbringung von Heiligenfiguren handelte, die
in der Glanzzeit der kirchlichen Symbolik auch auf den Festgewändern nicht
fehlen durften, dann reichte der Webstuhl, zumal im kleinen Handbetrieb, wie
bei den Borten, allein nicht aus, für die Gewinnung der Köpfe, Hände, Attribute,
Gewandverzierungen, zu deren Ausführung die Nadel im Plattstich, Kordonnet-
stich, Uberfangstich usw. nachhelfen mußte. In diesen Fällen wurden alle Teile
in den beabsichtigten Farben: Rot, Blau, Grün usw. für die Gewänder, auch die
Fleischteile gewebt, in welche die Konturen eingestickt wurden mit den Haaren,
die Musterungen in die Gewänder: farbig, wenn sie den Goldgrund; mit Gold-
fäden, wenn sie den farbigen Grund verzieren sollten. Da also für alle diese
freihändigen Eintragungen weder Farbe noch Gold verschmäht wurde, so ergab
sich oft ein erstaunlicher Reichtum koloristischer Wirkung, die ganz der freien Ver-
fügung des Stickers — einem solchen lag sie zumeist ob — unterstand, unabhängig
von den Webern oder Weberinnen, als welche vielfach die in den Konventen
wohnenden Beginnen tätig waren. In diesem Zusammenhange konnte der
gleichen figuralen Weberborte durch die Stickerei zugleich eine gewisse Mannig-
faltigkeit gegeben werden, nicht nur hinsichtlich der Ornamentik in Zeich-
nung und Farbe, sondern sogar der dargestellten Personen, wenn diese nur der-
selben Kategorie als heilige Bischöfe, Krieger, Jungfrauen angehörten, da sie
durch die gestickten Beigaben und Unterschriften die nähere Charakterisierung
erfuhren, wenn die letzteren nicht, wie zumeist, miteingewebt waren.

Als ein Prachtexemplar dieser Art darf die hier abgebildete Kasel bezeichnet
werden, deren grüner granatapfelgemusterter Seidendamast italienischen oder
flandrischen Ursprungs derselben Entstehungszeit, wie die Borte angehört, ohne
aber früher mit ihr verbunden gewesen zu sein.
 
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