Nr. 3
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
39
ihn uns der Sitz des hl. Lukas in typischer Weise vor Augen stellt. — Die
Madonna sitzt in Dreiviertels-Profilwendung, das linke Bein jedenfalls auf einen
unter der Gewandung verborgen zu denkenden Fußschemel, das rechte, tiefer
stehende, auf die Zimmerdiele aufgestützt. Dieser Haltung folgt denn auch
der Faltenwurf des Ubergewandes, auf dessen einzelne Draperiemotive wir noch
später eingehen werden. Die Achsenrichtung des Oberkörpers folgt dem neben
und hinter der Got-
tesmutter stehenden
Kleiderständer, auf
dessen Querhölzern
ein Ärmelhemd aus-
gespannt hängt. Ma-
riens Hände sind mit
der Arbeit an diesem
Kleidungsstück be-
schäftigt. Ihre Linke
faßt an den Saum
desselben. Die Stel-
lung ihrer etwas
plump geratenen
(offenbar ungeschickt
ergänzten) Rechten
ist derartig wieder-
gegeben, als ob sie
eine Nadel mit Faden
hielte. Nach der Mit-
teilung des Herrn
Küsters Profe f er-
blickte man früher
tatsächlich einen
Draht zwischen Zei-
gefinger und Dau-
men, der nach alle-
dem den Faden vor-
zustellen hatte. —
Der Kopftypus der
Madonna, dessen ma-
lerisch gewellte und
fein durchgeführte
Haarbehandlung höchst beachtenswert ist, zeigt eine hohe, freie, aber mehr ab-
geplattete, als rundlich vorquellende Stirn, hochgeschwungene Brauen, eine gerade
ansetzende und wenig gestülpte Nase, mandelförmige, große Augen mit vollen,
oberen Lidern, breite Jochbeinpartie, mäßiggroßen Mund, etwas eckig vortreten-
des Kinn mit kräftigen Ladenknochen; schlanken, aber wohlbefleischten Hals mit
charakteristischer Wulstfalte. Die knospende Rundung des Busens tritt unterm
Gewände schüchtern hervor. Man spürt in mehr als einer Beziehung den Einfluß
der neuen, auf Naturstudium beruhenden Kunstauffassung der Renaissance.
Abb. 4.
Marientod (Mittelstück) in Sdweidnitz.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.
39
ihn uns der Sitz des hl. Lukas in typischer Weise vor Augen stellt. — Die
Madonna sitzt in Dreiviertels-Profilwendung, das linke Bein jedenfalls auf einen
unter der Gewandung verborgen zu denkenden Fußschemel, das rechte, tiefer
stehende, auf die Zimmerdiele aufgestützt. Dieser Haltung folgt denn auch
der Faltenwurf des Ubergewandes, auf dessen einzelne Draperiemotive wir noch
später eingehen werden. Die Achsenrichtung des Oberkörpers folgt dem neben
und hinter der Got-
tesmutter stehenden
Kleiderständer, auf
dessen Querhölzern
ein Ärmelhemd aus-
gespannt hängt. Ma-
riens Hände sind mit
der Arbeit an diesem
Kleidungsstück be-
schäftigt. Ihre Linke
faßt an den Saum
desselben. Die Stel-
lung ihrer etwas
plump geratenen
(offenbar ungeschickt
ergänzten) Rechten
ist derartig wieder-
gegeben, als ob sie
eine Nadel mit Faden
hielte. Nach der Mit-
teilung des Herrn
Küsters Profe f er-
blickte man früher
tatsächlich einen
Draht zwischen Zei-
gefinger und Dau-
men, der nach alle-
dem den Faden vor-
zustellen hatte. —
Der Kopftypus der
Madonna, dessen ma-
lerisch gewellte und
fein durchgeführte
Haarbehandlung höchst beachtenswert ist, zeigt eine hohe, freie, aber mehr ab-
geplattete, als rundlich vorquellende Stirn, hochgeschwungene Brauen, eine gerade
ansetzende und wenig gestülpte Nase, mandelförmige, große Augen mit vollen,
oberen Lidern, breite Jochbeinpartie, mäßiggroßen Mund, etwas eckig vortreten-
des Kinn mit kräftigen Ladenknochen; schlanken, aber wohlbefleischten Hals mit
charakteristischer Wulstfalte. Die knospende Rundung des Busens tritt unterm
Gewände schüchtern hervor. Man spürt in mehr als einer Beziehung den Einfluß
der neuen, auf Naturstudium beruhenden Kunstauffassung der Renaissance.
Abb. 4.
Marientod (Mittelstück) in Sdweidnitz.