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Zeitschrift für christliche Kunst — 29.1916

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Ein Vorbild zu Dürers "Christlichem Ritter"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4343#0074

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62

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 4

reitend, von dem Drachen angefallen und sticht ihn nieder. Die wohl einst von der
Höhe der Burg zuschauende Prinzessin hat sich im Laufe der Zeit verloren; nur ihr
Bählämmchen — und auch dieses nur restauriert — blieb erhalten. Das ganze
Relief ist nur 31 cm hoch. Es gehört etwa der Zeit von 1480 an und dürfte eine
fränkische oder mittelrheinische Arbeit sein. Am Mittelrhein, wahrscheinlich
Mainz, muß — wie ich anderweitig nachzuweisen gedenke — in der ersten Hälfte
des XV. Jahrh. eine bedeutende Werkstatt der Alabasterplastik bestanden haben.
Vielleicht ist diese Arbeit ein letzter Ausläufer davon. Für den Mittelrhein spricht
die malerische Auffassung, sofern diese ganz auf Kosten des Plastikers zu setzen
ist. Es kann auch sein, daß ein Kupferstich oder Holzschnitt die Vorlage bildete.

Das wäre umso interessanter als wir
eine Nachwirkung des Reliefs oder
seiner unbekannten Vorlage wiederum
in einem Stich finden, und zwar in
Dürers „ Christlichem Ritter" von 1513.
Die Wappnung des Ritters ist be-
kanntlich der Kostümstudie von 1498
(L. 461 ; Aquarell in der Albertina)
entnommen; aber auch nur diese. Der
Kopf des Ritters und das Pferd haben
mit der Kostümstudie nichts gemein,
gehen dagegen unverkennbar auf das
Vorbild des älteren deutschen Meisters
zurück. Man vergleiche besonders das
Pferd. Die zeitgemäße italienische Auf-
machung bei Dürer kann uns nicht
über die Verwandtschaft mit dem Ala-
basterpferd hinwegtäuschen, die sich
bis auf Ähnlichkeiten der Aufzäumung
erstreckt. Der verzeichnete linke
Hinterfuß des Alabaster pferdes machte
Dürer zweifellos zu schaffen. Er suchte
ihn zu ändern und kam nicht gleich
zurecht damit; bis er sich entschloß,
ihn vom Boden zu heben. Der oft besprochene Reuezug findet somit seine Er-
klärung! Mit den Vorderbeinen mußte auch eine Veränderung stattfinden. Dürer
zeichnete in die Platte den rechten Fuß als den gehobenen ein (im Abdruck der
linke), um den Raum für den zweiten Pferdekopf zu gewinnen. Die Gegenseitigkeit
des Stiches zu dem Relief ist ein weiterer Anhaltspunkt für die Abhängigkeit des
ersteren von dem letzteren. Endlich sehen wir in der primitiv angelegten Landschaft
des Reliefs, Felsental mit Burg auf der Höhe, die Anregung zu dem von Dürer so
feinsinnig ausgearbeiteten Hintergrunde. Das Beachtenswerte dieser „Entdeckung''
ist, daß gerade das, was wir bisher an dem Dürerstich als das Neue empfunden
haben, die Stimmung der einsamen Talritts, auf ein älteres Werk zurück-
geht, und somit schon dem XV. Jahrh. angehört. Es braucht natürlich nicht
gesagt zu werden, daß Dürers Leistung dadurch keine Beeinträchtigung erfährt.
Wiesbaden. Mela Escherich,

Hl. Georg. Germ. Nat.^Mus. Nürnberg.
 
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