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Zeitschrift für christliche Kunst — 29.1916

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Schnütgen, Alexander: Ein moderner Bibeleinband
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https://doi.org/10.11588/diglit.4343#0113

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98 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 7

da endlich der stark vergoldete Buchschnitt in Übereinstimmung mit dem Deckel-
schmuck gebracht ist durch ein ziseliertes Ornament, so ist die Gesamtstimmung
durchaus einheitlich. Diese ist um so verdienstlicher, als zur Erreichung der Gold-
verzierungen 14kleine Stempel, 3 Rollen, 21 Bogen (Segmente), 6Fileten zusammen-
gewirkt haben, in einem Aufgebot von rund 60 000 Drucken, bei denen die ge-
ringste Entgleisung in der Vergoldetechnik die Wirkung beeinträchtigt haben
würde.

Welche Anforderung gerade diese Technik an die Sicherheit und Fertigkeit,
an die Ruhe und Ausdauer des Künstlers stellt, ergibt sich erst recht aus dem
ganzen Werdeprozeß.

Dieser beginnt nämlich mit dem durch erhitzte Werkzeuge bewirkten Vordruck,
dem alsbald wiederholte Eiweißauspinselung einen Golddruck verschafft durch
Auflage von Blattgold vermittelst erhitzter Werkzeuge. Da gerade bei diesem Auf-
trage, als der kritischsten Manipulation des ganzen Verfahrens, von dem Wärme-
grad der Werkzeuge alles abhängt, zu große Hitze die ganze Arbeit in Frage stellt,
zu starke Trockenheit neue Grundierungen und Goldauflagen verlangt, so wird
zum vollkommenen Gelingen eine Aufmerksamkeit und Handfertigkeit, eine Ver-
trautheit mit der ganzen Technik verlangt, wie sie sonst in dem weiten kunst-
gewerblichen Bereiche nicht leicht begegnet. Und das alles ist um so höher zu
bewerten, als eine so komplizierte Arbeit den Feierstunden reserviert bleiben muß,
die sich auf ein volles Tausend belaufen, so daß dieser Einband einen Wert von
weit über 1000 Mark darstellt für jeden der beiden Bände.

Diese Summe dürfte in einem vornehmen Hause für das wichtigste Familien-
buch kein allzu großes Opfer sein, könnte übrigens durch einfacheres Verfahren
bei geringerer Größe des Buches erheblich gemindert werden. — In einem
solchen Falle würde sich für eine katholische Familie z.B. eignen: Die Heilige
Schrift des Alten und Neuen Testamentes. Aus der Vulgata übersetzt von Dr. von
Allioli; illustrierte Volksausgabe in Kleinfolio.

,. Im Dienste der Liturgie, also namentlich der Meßfeier, für das Missale, könnten
diese Techniken, die trotz ihrer minutiösen Verwendung durchaus widerstands-
fähige Bände zu schaffen vermögen, in Anspruch genommen werden, freilich in
derberer Ausführung, wie es überhaupt wünschenswert wäre, daß die Buchbinderei
in ihrer so mühsam wiedergewonnenen, durchaus fach- und kunstgerechten Be-
deutung neue verständige und opferwillige Anhänger gewänne nicht nur im Kreise
der weltlichen Bücherliebhaber, die leider noch immer sehr dünn gesät sind,
sondern auch der geistlichen Fürsorger, die bis in das vorige Jahrhundert hinein
beflissen waren, ihre Altäre auch in dieser Hinsicht zu schmücken. — Bei diesem
Schmuck kommen freilich auch die metallischen Techniken in Frage, und zwar
nicht nur für die Eckverstärkungen und Schließen, die bereits im späteren Mittel-
alter eine sehr große Rolle spielten, sondern auch für die Metalldecken, mögen
sie graviert oder getrieben, auch durchbrochen sein, zu denen es an ornamen-
talen und figuralen Vorbildern, selbst aus der romanischen, sowie der früh-
und spätgotischen Periode, nicht fehlt. — Da diese aber etwas empfindlich und
schwer zu handhaben, auch in reicherer Ausführung zu kostspielig sind, so
empfehlen sich um so mehr, nach dem Vorbilde der letzten Jahrhunderte, die
Lederbände, zumal in deren großzügiger Verzierungsart. Schnütgen.
 
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