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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 27.1916

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Bredt, Ernst Wilhelm: Vom alten niederdeutschen Fenster
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https://doi.org/10.11588/diglit.10023#0371

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INNEN-DEKORATION

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VOM ALTEN NIEDER

Der Italiener hat ebensowenig Sinn für Ofen — wie
für Fenster. Die viel sonnigere Natur erklärt beides.
Wer Nord und Süd nicht kennt, wandere durch unsere
Bildergalerien, vertiefe sich in die Graphik Italiens und
in die der Niederlande. — Er wird die Galeriebilder Ita-
liens, die behaglich belichtete Innenräume zeigen, an den
Fingern aufzählen können. — In den Bildern Piombos
z. B. oder Rafaels, Giottos, Carpaccios oder Tizians ist
das Fenster fast nie etwas anderes als ein formloser,
rechteckiger Wandausschnitt. — Sowie aber die deutsche
Malerei und Graphik Innenräume darstellt, ist ihr nichts
so lieb und interessant wie die Fensterwand, das Fen-
ster, der Fensterladen! — Mit dieser herzlichen Liebe der
nordischen Maler und Graphiker erschließt sich deren
ganze tiefe Eigenart, ja ich bin der Meinung, das Ver-
hältnis der norddeutschen Künstler zum Fenster gab ihrer
Malerei für einige Jahrhunderte den Weg — und der
Weg führt zur Landschaft wie nirgend wo sonst. — Unser
großer Dürer versagt in dieser Beziehung freilich merk-
würdig. Seine Ausblicke ins Freie bleiben, wenigstens
so lange er »italienisch« sein wollte, fast alle »italienisch«.
Doch das einzige Blatt »Hieronymus im Gehäus« ist da-
für von so wunderbar starker Liebe zur Sonne, zum son-
nigen Fenster erfüllt, daß der Kupferstich schon deshalb
zu den beliebtesten alten deutschen Meisterblättern ge-
rechnet werden darf. Doch ich empfehle jedem Künstler
Innenräume, Blätter und Bilder von der Art, in Galerien,
illuminierten Handschriften, Kupferstichkabinetten auf

•EUTSCHEN FENSTER

die Fenstergestaltung, die Fensterläden und Vorhänge
hin anzuschauen. Das ist ein eigenes Kapitel von Kunst
und Wohlbehagen, das noch zu wenig den Werken un-
serer besten deutschen, niederländischen und burgundi-
schen Meister abgelesen wurde. — Eines ist auffallend:
die nordischen Maler und die Bürger der nordischen
Heimat allein wußten mit größtem Glück den Lichteinfall
in unsere Zimmer so zu regeln, daß zu jeder Tagesstunde
ein behagliches Innenbild entsteht. Viele, ja entschei-
dende Mittel der Art scheinen unseren Wohngestaltern
unbekannt oder von ihnen vergessen zu sein. Die alten
flandrischen, die niederrheinischen Miniatur- und Tafel-
maler, dann aber ganz besonders die großen Holländer
Rembrandt, Fabritius, Jan Vermeer van Delft, Pieter de
Hooch geben uns entzückende Beispiele zu einer künst-
lerisch hochstehenden Fensterbehandlung, die leider ganz
in Vergessenheit geriet. Die Unterschiede unserer Fenster
und Läden von jenen alten sind kurz gesagt die : Die alten
Fenster sind meist höher hinaufgeführt, auch meist größer
als bei uns. Die großen Zwischenteilungen bilden nicht
die bei uns übliche Kreuzform — sie bilden gern sechs
etwa gleichgroße Felder. Die Innenläden entsprechen
diesen Fensterteilen, sind also bald oben, bald im Mittel-
teil, bald nur unten aufzumachen. Diesen Fenster- und
Lädenteilungen entsprechen häufig genug auch die Vor-
hänge. Alles ist also so gerichtet, um dem Licht und
der Sonne die verschiedensten Möglichkeiten eines ge-
wollten Einfalls zu gestatten. — Daß für die künstlerische
 
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