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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Ostini, Fritz von: Albert von Keller: zu seinem 60. Geburtstage (27. April 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0382

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-tt4^> ALBERT VON KELLER -CS^W-

ein kräftigeres Losgehen auf die Hauptsache,
ein klareres Herausarbeiten der persönlichen
Meinung dem Motiv gegenüber. Hand in Hand
damit wachsen die Formate, mit den Forma-
ten wächst die flächige Breite des Vortrags.
Immer kein Wechsel, sondern eine Entwick-
lung! Flächig und flott hat Keller auch schon
seine Salonbildchen in Oktavformat gemalt
und sein Pinselstrich von heute ist nur im
Verhältnis zur Bildgröße breiter geworden. Im
großen Zuge ist auch die koloristische Emp-
findung bei Keller stets die gleiche geblieben,
sie ist eben der unmittelbare Ausdruck seiner
Natur. Er vertritt den Grundsatz, daß dem
Maler ein bestimmtes Farbenempfinden, wel-
ches er wohl veredeln, aber nicht in seinen
Grundlagen verändern kann, angeboren ist,
daß also seine koloristische Sprache, ist er
anders ehrlich in seiner Kunst, sich mit
Naturnotwendigkeit nach einer bestimmten
Richtung ausbilden muß. Ueber die Wahrheit
dieses Satzes läßt sich kaum streiten — ver-
folgen läßt sie sich freilich nur an denen,

ALBERT VON KELLER EUSAPIA PALLADINO

die das sind, was wir „ganze Kerle" nennen.
Aus einem solchen überaus reichen und
individuellen Farbenempfinden heraus ent-
wickelt sich Albert von Kellers ganze Dar-
stellungsweise. Der Künstler, der in der
Dämmerstunde so gern phantasierend am Flügel
sitzt, findet seine Gestalten nun ganz ähnlich
wie dem präludierenden Musiker die Melodien
zufließen; aus den in großen Zügen bewegten,
unbestimmten Massen wird nach und nach
das Bestimmte in seiner schaffenden Phan-
tasie, wie auf der Leinwand. Es ist höchst
interessant, Keller skizzieren zu sehen, wie
er erst das Hauptsächlichste so knapp und
flüchtig andeutet als nur möglich, für das
Nebensächlichste nur allgemeine Färb- und
Tonwerte hinsetzt, das Ganze zu einem har-
monischen Klang stimmt und dann sozu-
sagen die Einzelheiten erst aus dem Entwürfe
heraus liest. Es ist dann, als sähe er zuvor
in einer Art von Unterbewußtsein, visionär,
wie hinter einem brauenden Farbennebel die
Dinge, welche er darstellen will, und als lösten
sie sich nach und nach erst los und ge-
wännen die endgültige Form. So ist seine
ganze Malerei aus dem Geiste der Farbe,
wie die Dichtkunst aus dem Geiste der Musik
geboren. Andere, vielleicht die Mehrzahl
der anderen, wird anders zum Ziele gelangen.
Um so besser! Denn schließlich besteht das
Wesen des künstlerischen Schaffens doch darin,
daß jeder auf seine eigene Weise sagt, was
er zu sagen hat! Die Zahl der Dinge, die
zu sagen sind, ist vielleicht gar nicht so
groß. Die Unerschöpfiichkeit und Köstlich-
keit der Kunst wird nur bedingt durch die
unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der Tempe-
ramente, welche jene Dinge auffassen!

Unser Künstler stammt aus einer alten
Schweizer Familie und aus Schweizer Erde
vielleicht ist jenes unbeugsame Festhalten
an der Persönlichkeit erwachsen, das ihn und
so manchen künstlerisch tätigen Landsmann
auszeichnet. Seiner Kultur nach ist Keller
ein Deutscher und zwar ein Münchner. Er
kam schon zehnjährig nach München auf die
Schule, interessierte sich für alles mögliche,
früh auch fürs Zeichnen, aber zugleich für
Technik und Maschinenbau, und wurde, als
er auf die Universität übergetreten war, Jurist.
Seinen ersten Erfolg brachte ihm weder die
Rechtswissenschaft noch die Malerei, sondern
die Erfindung einer „Uebersetzungsdrehbank",
welche ihm sogar die Medaille einer Industrie-
ausstellung eintrug. Kunstunterricht hatte
schon der angehende Jurist genommen und
bald trat er ganz auf die Akademie über, wo
er A. von Rambergs Schüler wurde, mit Schwind

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