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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Vom Schweizer Kunstleben, [1]
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Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- und Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Vermischtes - Neue Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0077

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VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <^Mp-

^eine bedeutende Anzahl tüchtiger Künstler bei ehr-
lichem Wollen und solidem Können das Kunst-
bedürfnis eines freien Volkes erfüllt und gleich den
Holländern des 17. Jahrhunderts in Landschaft,
Porträt und Genrebild Vorzügliches geleistet haben».
Vollständig wird dabei das Handzeichnungs-Werk
Hans Holbeins wiedergegeben werden. Aus dem
Ganzen, das bei Helbing & Lichtenhahn in Basel
erscheint — vier jahreslieferungen zu je fünfzehn
Tafeln — werden Illustration und Kunstgewerbe,
Geschichtsschreibung und Sittengeschichte Gewinn
ziehen können. Namentlich aber dürfte es der
früheren Schweizer Kunst den ihr zukommenden
Platz in der Geschichte der allgemeinen Kunstent-
wicklung verschaffen. Die erste Lieferung wird im
Oktober ausgegeben werden.

In* Lausanne findet gegenwärtig die achte Na-
tional-Schweizerische Kunstausstellung statt. Sie
dauert vom 20. August bis 20. Oktober und ist mit
über sechshundert Kunstwerken beschickt. o.

VON AUSSTELLUNGEN

UND SAMMLUNGEN

EiERLIN. Wenn die Reichshauptstadt sich im all-
gemeinen auch als ein sehr aufnahmefähiger
Markt für Kunstwerke von mittlerer Güte bis herab
zur künstlerischen Dutzendware bewährt, so sollten
die Berliner Salonbesitzer aus dieser Tatsache doch
nicht den Schluß ziehen, daß diesem Markt noch
mittelmäßige Leistungen des Auslandes auf dem
Wege der Ausstellungen zugeführt werden müßten.
Wenigstens scheint ein solches Unternehmen nicht
sehr politisch. Jedenfalls ist es überflüssig, etwas zu
importieren, was im eigenen Lande bereits im
reichsten Maße vorhanden ist. Protestiert die
Kritik schon mit Lebhaftigkeit dagegen, daß man
die mittelmäßige inländische Produktion dem Publi-
kum immer wieder als Sehenswürdigkeit in den
Ausstellungen serviert, so kann sie gar nicht scharf
genug den Versuch ablehnen, das Interesse des
deutschen Publikums für ausländische Kunst dritten
und vierten Ranges zu gewinnen. Die Versicherung
der Leitung von Ed. Schulies Kunstsalon, daß
die zu Beginn der neuen Saison von ihr vorge-
führten Werke französischer Künstler zu denen
gehörten, die in den diesjährigen Pariser Salons
besonders aufgefallen seien, will nicht viel bedeuten;
denn auch das Pariser Publikum findet die sauber-
gemachten, konventionellen Bilderin der Regel besser
als die originellen. Und in der Tat: Was hier von
französischen Blidern geboten wird, unterscheidet
sich weder durch Eigenart, noch durch bessere
Qualität von den Schöpfungen gewisser deutscher
Künstler, von denen man, obwohl diese in ihrer
Art sehr Tüchtiges leisten, doch gar nicht spricht.
Der Ausdruck einer höheren Kultur ist selbstver-
ständlich, kann aber das Urteil im allgemeinen
nicht beeinflussen. Die Landschaften, mit denen
Jules Alexis Muenier, Paul Sain, Harry van
der Weyden und Maurice Eliot hier erschienen
sind, erheben sich in nichts über das Uebliche.
Emil Troncy kommt von Dou und Metsu her und
malt dämmrige Interieurs mit und ohne Personen.
Fernand Le Gout-Gerard produziert immer
weiter seine Bilder von der bretonischen Küste mit
abfahrenden oder ankommenden Booten, mit Quais
und Märkten, auf denen allen der warme Schein der
Abendsonne liegt. Und wenn er zufällig einmal
nach Venedig kommt, ist nur das Motiv, niemals das
malerische Problem ein anderes geworden, Die mit

allegorischen schwebenden Frauenerscheinungen ver-
sehenen Arbeiten von Rupert C. W. Bunny eignen
sich für Theatervorhänge und große Porzellanvasen
entschieden besser als wie für Tafelbilder. Paul
Urtin paradiert mit nichtssagenden weißgekleideten
Damen auf Baikonen und in braunen Interieurs
unter auffälliger Nichtbeachtung der Lichtverhält-
nisse. Gewiß: der »Coin de bataille«, mit dem
Charles Hoffbauer im letzten Salon Aufsehen
erregte, unterschied sich sehr vorteilhaft von den
in Deutschland üblichen Schlachtenbildern; aber man
sieht hier nur eine mangelhafte und flüchtige Wieder-
holung, welche die Vorzüge jenes Bildes knapp
ahnen läßt. Der interessanteste von diesen fran-
zösischen Malern ist noch der leider erblindete
Victor Vignon, der mit Landschaften und Bauern-
bildern in der Art Corots begann und sich mählich
den Impressionisten anschloß, von denen ihm Renoir,
Sisley und Cezanne am meisten imponiert zu haben
scheinen. Arbeiten wie die auf dem grünen Rasen
sitzende »ruhende Bäuerin« in blauem Rock und
grauer Jacke, die >Straße im Dorfe La Folie«, der
»Frühling bei Lesseville« und eine weitere farben-
freudige »Frühlingslandschaft« können selbst ver-
wöhnten Augen gefallen. Hier ist Feinheit und
Empfindung, wenn auch nicht gerade viel Persön-
lichkeit. Wie hat man sich in Deutschland nicht
für Fritz Thaulow begeistert, und wie wenig von
seinen guten Eigenschaften ist noch in seinen
neuesten Bildern zu spüren! Auf keinem davon
fehlt freilich das leise fließende, grau oder blau
schimmernde Wasser, das man ehemals so be-
wunderungswürdig gemalt fand; aber man darf
sich nicht mehr an Früheres erinnern, wenn man
seinen letzten Leistungen noch einigen Geschmack
abgewinnen will. Eine gewisse Frische der Farbe
ist noch geblieben. Das dürfte jedoch alles sein, was
man dem »Dorf in der Pikardie«, den »Weiden am
Bach« und dem »Sonnenuntergang in Dieppe« neben
der geschickten Wahl liebenswürdiger Motive noch
nachrühmen kann. Denhübschen Bronzen vonCARA-
bin begegnet man immer gern wieder. Hat der
Künstler auch das entzückende »Mädchen mit der
Katze« nicht mehr übertroffen, so ist die Qualität
seiner Arbeiten doch in keiner Weise zurückge-
gangen. Man merkt seinen Arbeiten immer ein
aufmerksames Naturstudium an, ob es sich um
neue Variationen der bekannten »Serpentintänzerin«,
um eine neue »Spanische Tänzerin«, um ein »Tänzer-
paar« aus einem modernen Ballsaal, oder um tan-
zende oder Arm in Arm daherschlendernde Bauers-
leute handelt. Allerdings verraten die zuletzt ge-
nannten Plastiken am wenigsten das rassige Talent
Carabins. —Auch der Saisonbeginn im Künstlerhause
kann höhere Ansprüche nicht befriedigen. Dort
stellt eine neue Vereinigung, die sich den stolzen
Namen »Berliner Künstlerbund« zugelegt hat, Werke
der dekorativen Kunst aus. Die sechs Mitglieder
zeigen alles Mögliche: Große Wandbilder, Decken-
gemälde, Kartons, Entwürfe für Wand- und Decken-
dekorationen, für Fassaden und Teppiche, für Glas-
fenster und Plakate, ferner Akt- und Naturstudien.
Wirkt dieses Durcheinander an sich schon wenig
vorteilhaft, so macht das Nebeneinander der ver-
schiedensten Formate und Stilformen und der ver-
schiedensten Techniken einen recht verwirrenden und
unerfreulichen Eindruck. Die Situation wird natürlich
beherrscht von den Arbeiten, die am meisten bild-
mäßig sind oder den größten Raum beanspruchen.
Nun mögen dekorative Schöpfungen dieser Art an
Ort und Stelle ihren Zweck erfüllen und unter be-
stimmten Beleuchtungsverhältnissen auch ganz er-
träglich wirken. Hier im nüchternen Lichte eines

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