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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- und Atelier-Nachrichten
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VON AUSSTELLUNGEN

UND SAMMLUNGEN

DERLIN. Wenn dem gegenwärtigen Siegeszuge
" der französischen Malerei durch Deutschland
Schranken gesetzt werden sollen, kann es nur durch
den von Tatsachen kräftig unterstützten Beweis ge-
schehen, daß die deutsche Malerei als Kunst Ver-
dienste genug besitzt, um die Konkurrenz der
welschen Schwester aushalten zu können. Zu dem
Zwecke wäre zunächst eine Revision des vorhan-
denen Materials in die Wege zu lenken, wäre fest-
zustellen, worin die Stärke der deutschen Kunst
liegt. Eine von Ed. Schulte inszenierte ^Deutsche
Ausstellung^ bietet dafür einige Handhaben, wenn
sie in ihrer Gesamtheit auch noch nicht geeignet
erscheint, der Mitwelt große Hochachtung vor einem
gewissen Kreise von Künstlern beizubringen, die
nationale Kunst zu machen glauben, weil sie ihren
Werken eine tendenziöse Note geben. Indessen ist
die Tendenz viel weniger bedenklich als die Mittel
es sind, mit denen jene zur Geltung gebracht wird.
Denn diese Mittel sind so unzureichend, daß sie
die deutsche Kunst in den Verdacht bringen, daß
ein besonderes Kennzeichen für sie die Stümperei
und Unfähigkeit ihrer Jünger sei. Daß damit den
Tatsachen ins Gesicht geschlagen wird, ist jedem
bekannt, der einen Ueberblick über das von den
großen deutschen Malern Geleistete hat und der
da weiß, welche Höhe des technischen Vermögens,
der Stärke und Feinheit des Ausdrucks die hollän-
dische Malerei des 17. Jahrhunderts repräsentiert,
auf welcher zweifellos typisch deutschen Kunst
doch die ganze Malerei des 19. Jahrhunderts und
am meisten vielleicht die französische beruht. In
diesem Sinne wird man dagegen protestieren, daß
Maler mit einem so dürftigen Handwerk wie Ernst
Liebermann, Erich Kuithan, Albert Lang,
Matthäus Schiestl oder Hermann Frobenius
als irgendwie beachtenswerte Vertreter deutscher
Kunst dem Publikum vorgestellt werden. Gewiß:
Sie sind nicht Schüler der Franzosen; aber sie haben
überhaupt so wenig gelernt, daß ihre Leistungen
nur einen künstlerischen Tiefstand dokumentieren.
Die Naivität des Ausdrucks in ihren Arbeiten ist,
soweit keine Absicht dahinter steht, in den meisten
Fällen nur Unfähigheit, sich besser auszudrücken.
Daß deutsche Gesinnung sich vorzüglich mit einem
hochentwickelten Können verträgt, beweisen in dieser
Ausstellung Bilder von Leibl, Thoma, Trübner
und Victor Müller. Und daß diese Künstler bei
Courbet und Couture studiert, ohne Einbuße an
ihrem Deutschtum erlitten zu haben, sollte denen
zu denken geben, die da behaupten, der deutsche
Maler, der sich bemühe, von den im Technischen
weiter vorgeschrittenen Franzosen zu lernen, gäbe
damit seine Nationalität auf. Die Forderung, daß
der deutsche Maler mit Scheuklappen an den Lei-
stungen der Franzosen vorübergehe, beraubt ihn ja
geradezu der Möglichkeit, sich als Deutscher her-
vorzutun. Denn, wo man auch hinschaut — nur die
deutschen Gelehrten, Techniker, Dichter und Künst-
ler haben etwas für das Ansehen Deutschlands getan,
die in ihren Leistungen auf der Höhe der Zeit
waren und in die Zukunft vorausschritten. Und
das künstlerisch und technisch Gute überdauert die
Zeiten. Leibis »Bildnis des Malers Schuch«, sein
»Sparpfennig«, sein »Zeitungsleser« werden durch
die Leistungen neuerer Künstler nicht in den Schatten
gestellt. Zum ersten Male sieht man in dieser Aus-
stellung das wenige Monate vor Leibis Tod ent-
standene Bildnis der Frau Roßner-Heine (Zeitz). Es

zeigt freilich in der Farbe des Gesichts jenen un-
erfreulich violetten Ton, den der Künstler in fast
allen seinen letzten Arbeiten hat; aber als Zeich-
nung und Malerei ist das Werk wunderbar. Diese
braunen Augen, diesen Mund, diesen Haaransatz
konnte nur Leibi so geben. Und was für eine ent-
zückende koloristische Leistung hat der kranke Mei-
ster in dem am Halse sichtbar werdenden hellen
Seidenkleide und dem mit dünnen schwarzen Sam-
metstreifen besetzten hellseidenen Aufschlag des
Jacketts — diejunge und schöne Dame ist im Straßen-
anzug und Hut — geliefert! Ausgezeichnete Quali-
täten hat auch das frühe lebensgroße Bildnis eines
jungen blonden Mädchens in Schwarz, die am Gürtel
ein Täschchen trägt und in der rechten Hand einen
Champagnerkelch hält. Man kennt diese junge
Blondine aus dem Bilde »Die Tischgesellschaft«.
Indessen ließ der Künstler dieses Bildnis unvoll-
endet, weil ihn selbst wohl die vorhandenen Mängel
der Zeichnung störten. Man begegnet in dieser
Ausstellung, mit Ausnahme von Munkacsy und
Chase, allen den Künstlern, die, von Leibi angeregt,
sich zu Anfang der siebziger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts bemühten, gute Malerei zu machen:
Karl Schuch, Theodor Alt, Rud. Hirth du
Frenes, Fritz Schider und Joh. Sperl. Aber
nur aus einem von Leibis Schülern ist ein großer
Künstler geworden, nur einer hat sich selbständig
zu entwickeln vermocht: Wilhelm Trübner, von
dem die bereits vor einigen Wochen an derselben
Stelle vorgeführten Werke noch einmal gezeigt
werden. Die übrigen haben, sich selbst überlassen,
später nichts malerisch Bemerkenswertes mehr
hervorgebracht. Am ehesten noch Schuch und Sperl,
von dem einige glänzende Interieurs und ein paar
gut gemalte Dorf häuschen hier zu finden sind. Victor
Müller, der feine Kolorist und große Anreger für
den Leibikreis, ist mit zwei, seinem Talent das
schönste Zeugnis ausstellenden Arbeiten, einer
»Herodias« und der prächtigen Studie einer Rot-
haarigen vertreten. Die Zugehörigkeit Hans Tho-
ma's zu diesen drei Großen beweisen hier ein paar
frühe Bilder, eine wundervolle »Abendlandschaft«,
die »Taunuslandschaft« mit dem Reiter (aus dem
Besitz der Familie Hirth) und einige entzückende
Kleinigkeiten. Was nach Thoma kommt und sich
scheinbar an ihn anschließt, ist eigentlich schreck-
lich. Wilhelm Steinhausen passiert noch. Seine
melancholischen Landschaften sind nicht ohne Eigen-
art. Karl Haider hat sogar noch Meriten. Aber
bei Edmund Steppes geht diese Richtung schon
ins Uninteressante, um bei den schon vorher er-
wähnten, sich äußerlich deutsch gebärdenden Künst-
lern aufs Trostloseste zu verwässern und in Impo-
tenz zu endigen. — In der Ausstellung des Salons
Cassirer findet man diese Deutschtümler freilich
nicht, dafür aber deutsche Franzosen. Sie machen
zweifellos besseres Handwerk als jene und ihre
Bilder sind deshalb angenehm zu sehen. Solange
sie jedoch nicht stärkere, auf Grund persönlicher
Anschauungen entstandene Kunst produzieren, wird
man sie nur für nützlicher, nicht aber für eigen-
artiger als jene Deutschtümler erklären können.
Denn ob die Idee und der Ausdruck oder die An-
schauung und die Technik ohne Assimilation über-
nommen werden, ist eigentlich ganz gleich. Wenn die
Deutschtümler die Welt im Dürerstil abmalen, machen
sie im letzten Sinne etwas ähnlich Verkehrtes wie die
Künstler bei Cassirer, welche deutsche Landschaften
und Städte so malen, als lägen sie an den Ufern
der Seine oder an den Küsten der Normandie.
Ulrich Hübner ist gewiß einer der fleißigsten
Maler von Berlin und hat von den französischen

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