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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Günther, Fritz: Aus den Erinnerungen eines Museumsdirektors
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Wiener Situationsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0207

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«5=4^> WIENER SITUATIONSBILD <^2-*-

Italien verrechnete, befand sich auch ein WIENER SITUATIONSBILD
mehrere tausend Mark umfassender Posten

„Sonstige Auslagen". Die Schreiberseelen pin bisher in den Annalen des Wiener Kunstlebens

gerieten in heftige Aufregung, denn es fehlten noc>? dagewesenes Ereignis ist eingetreten

j. „ . « i, e j_r j- » «. — nämlich die Schließung der Akademie der bilden-

die Belege. Aufgefordert, die Ausgaben unter den Künste Djese Schließung ist eine vom Rektor

diesem Titel näher zu bezeichnen und zu recht- und den Mitgliedern des Professorenrates wohler-
fertigen, gestand der Direktor, daß es sich um— wogene Maßregel, um weitere drohende Unruhen
Bestechungsgelder für italienische Zollbeamte vereiteln. Es handelt sich ihnen aber nicht, wie
, ,. , , ... , . _ o dies gewöhnlich der Fall ist, darum, denjenigen zu
handle, welche über also erworbene Summen schat|en> gegen welchen di'e Demonstrationen ge-

nicht zu quittieren pflegten. — Viele Muhe richtet sind, sondern sie wollen die Demonstranten
kostete ein anderes Museum die Erwerbung vor den unvermeidlichen Folgen, welche Ausschrei-
eines Meisterwerkes von Giovanni Bellini. tungen an einer staatlichen Unterrichtsanstalt nach

. ~ . , .. ,. . . sich ziehen, bewahren.

Es gehörte einem vornehmen italienischen Denn d|e Professoren stehen solidarisch auf

Gutsbesitzer, der es mit zahlreichen anderen Seite der Siudenten. Ein gemeinsam erlittenes
Gemälden in seinem Schlosse in der Emilia Unrecht hat bei Lehrern und Schülern ein gemein-
hütete und auf Wunsch gerne Kunstfreunden sames Gefühl der Erbitterung hervorgerufen und

7piatp Da trat der Versucher in Gestalt es lst nicht ausgeschlossen, daß die Revolte der Pro-
zeigte, ua trat der versucner in uestait fessoren > wenn sie auch formal einen anderen

eines deutschen Galeriedirektors an ihn heran Charakter annehmen wird, dem Unterrichts-Mini-

und siehe — der Conte war nicht abgeneigt, sterium schwere Verlegenheiten bereiten kann,
den Bellini gegen ein entsprechendes Gegen- Am 6- Dezember dieses Jahres brachte Abgeord-

ap^henk in har dem Fremden 711 schenken ordneter Erler im Parlament folgende Interpellation

gescnenK in Dar aem rremaen zu scnenKen. ein. >Ist es dem Minister bekannt, daß der Kunst-

Der Vertrag wurde abgeschlossen und der referent Ritter von Wiener, welcher im Jahre 1900 als
Conte verreiste. Tür und Fenster seines Ausstellungskommissär in Paris fungierte, und sein
Schlosses wurden hermetisch verriegelt und Adlatus Architekt Urban sich Ungerechtigkeiten und
... j j ... ., , .. ~. t-, Bevorzugungen zuschulden kommen ließen? Weiß

wahrend der längeren Abwesenheit des Be- erschonf da% die Ernennung des Professors Lefler
sitzers kein Besuchereingelassen. Amnächsten zum Professor der Kunstakademie erst in dem
Tage langte bei der benachbarten Kunst-
akademie ein Gemälde zur Begutachtung
an, das nach Deutschland ausgeführt
werden sollte. Nach dem italienischen
Gesetze müssen nämlich alle für das
Ausland bestimmten alten Kunstwerke
dem nächsten Museums- oder Akademie-
direktor vorgeführt werden, welcher die
Ausfuhr, falls der Kunstwert ein hervor-
ragender ist, verhindert. In diesem Falle
lag kein Grund vor, das Bild zurückzu-
halten, denn es war höchst unbedeutend.
So wanderte es denn unbeanstandet über
die Alpen an seinen neuen Bestimmungs-
ort, wo man alsbald den Rahmen und
hierauf vom Blendrahmen eine alte Lein-
wand mit jenem unbedeutenden Bilde
abnahm, das der Akademiedirektor be-
gutachtet hatte. Mit dieser Croute war
der Bellini zugedeckt und so über die
Grenze gebracht worden. Nun arbeitete
ein Maler aus Leibeskräften an einer
Kopie, welche bald fertig wurde, dann
ihrerseits unter derselben aufgenagelten
Croute verschwand und an den Conte
als „unannehmbar" zurückgesandt wurde.
An der Stelle des Bellini hing nun in
dessen Schlosse die täuschend gelungene
Kopie. Die schlauen Italiener aber ver-
lachen die dummen Tedeschi, die in ihre
Museen moderne Kopien alter Bilder
hängen und sie für Originale halten. josef flossmann barbarenmutter

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