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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Personal- und Atelier-Nachrichten
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^sö> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <&>v

moritz weinholdt ringkampfer

Frühjahraussteltung 1905 der Münchener Sezession

VON AUSSTELLUNGEN lachenden Augen, seinen zärtlichen, glücklichen

m.m cah».i mh/-i-», Mund' seine jun§e' üppige Gestalt je so wahr und

UND bAMMLUNGEN natürlich und reizend gemalt? Kein Künstler außer

Renoir. Das Bild ist ein Wunder an Leben und
DERLIN. Im Salon Paul Cassirer rindet eine wunder- Ausdruck und so bezaubernd in der Farbe, daß man
volle Renoir-Ausstellung statt, die den Künstler nicht müde wird, es immer und immer wieder an-
nach allenSeiten hin würdigen läßt. Man darf sich durch zuschauen. Es wurde 1883 gemalt, neun Jahre nach
die Tatsache, daß Auguste Renoir zu den Impres- der köstlichen »Loge«, die man nun auch wieder
sionisten gezählt wird, nicht zu dem Glauben ver- hier sieht. Das älteste der ausgestellten Bilder ist
leiten laßen, daß er ähnlich malt wie Manet, Monet der »Spaziergang« von 1870, der in der Farbengebung
und Sisley. Bestenfalls findet man in einigen seiner an die >Dame in Weiß« im Osthaus-Museum erinnert.
Landschaften Züge, die ihn mit diesen Künstlern Einer weiß gekleideten Dame im Vordergrund streckt
verbinden. Als Menschendarsteller geht er durch- ein junger Mann, der hinten im Schatten steht, die
aus seinen eigenen Weg. Niemand wird von seinen Hand entgegen, um sie über eine kleine Erhöhung
Kinder- und Frauenbildnissen behaupten können, im Park zu geleiten. Wie pastos wirken hier doch
daß er irgendwelche Ansprüche an die Suggerier- die Farben gegen die spätere dünne Malerei Renoirs!
barkeit des Beschauers machte, daß er ein starkes Dann gibt es hier eine Anzahl badender Frauen.
Mitarbeiten von dessen Augen verlangte. Diese Himmel, wie entzückend körperlich sind diese von
Arbeiten sind mit der größten Gewissenhaftigkeit BlutundLebendurchleuchtetenschwellendenFormen!
vollendet. Impressionen sind sie nur insoweit, als Wie schimmert diese rosige Haut! Wie seidig erscheint
Renoir über die erstaunliche Fähigkeit verfügt, die dem Auge dieses üppige Blondhaar! Dann diese Still-
flüchtigsten Aeußerungen des Lebens, seien es Be- leben. Ein Strauß von Gartenmohn mit Margueriten,
wegungen, ein Blick, ein Lächeln, im Ausdruck ein Bukett von weißen Rosenknospen in einer Papier-
festzuhalten. Niemals ist ihm das vollkommener düte auf einem roten Sessel, grüne Feigen und Johan-
gelungen, als in dem Bilde »Der Tanz«. Auf der nisbeeren, Birnen und Trauben in einer Schale. Auch
Terrasse einer Garten-Restauration hat ein junges Porträts sind da. Die Töchter des Malers, zwei frische
Paar gesessen. Er vielleicht ein Maler, der sein Mädchen, eine dunkle in Rot schreibt einen Brief,
Atelier am Boulevard Clichy hat, in einem blauen eine blonde in Weiß schaut ihr zu. Drei Kinder
Jackettanzug, sie eine warmherzige, hübsche, kleine am Klavier etwas steif, aber gut beobachtet. Be-
Schneiderin, in einem geblümten hellen Sommer- sonders reizvoll das kleine Bildnis einer Dame in
kleide, einen roten Stoffhut auf dem blonden Haar. Schwarz, die mit dem Gesicht nach dem Zimmer
Sie haben gefrühstückt und Wein getrunken. Da ist in einer Balkontür steht, ferner das Porträt eines
mit einem Male unten im Garten eine Drehorgel ge- Herrn mit grauem Haar und jungen Augen vor
spielt worden. Der Walzer klang so verlockend, daß einer Wand mit einem Lünettenbilde. Von den
das süße Mädel den Freund bat, sich einmal mit ihm Landschaften dürften die Schiffe im Gefolge
im Tanze zu drehen. Und nun tanzen sie. Wer eines Schleppers auf der blauen Seine und »Die
hat je die Bewegungen des Tanzes so überzeugend Meeresbucht« von 1883 wohl die schönsten sein,
herausgebracht, wie Renoir in der Gestalt dieses Gewiß: Renoir gibt keine tiefe Deutungen des Lebens;
prachtvoll gewachsenen Mannes? Wer hat die volle sein Gebiet ist klein, aber Frauen- und Kinder-
Hingabe eines Weibes an ein Vergnügen, seine schönheitund-Jugend haben keinen berufeneren Schil-

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