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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Hölzel, Adolf: Über künstlerische Ausdrucksmittel und deren Verhältnis zu Natur und Bild, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0098

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UBER KUNSTLERISCHE AUSDRUCKSMITTEL UND DEREN
VERHÄLTNIS ZU NATUR UND BILD

Von Adolf Holzel, Dachau

VVTenn wir einen Blick auf die Kunstent-
W wicklung im allgemeinen werfen, so
sehen wir, daß der Kunst von allem Anfang
an die Tendenz des Schmückens zugewiesen
werden muß. Zu dem rein Ornamentalen
gesellt sich bald der Wunsch, Gegenständ-
liches hinzuzufügen und Figuren und Tier-
gestalten treten nun auf; anfangs allerdings
in primitivster Form. Das Bedürfnis, das
Gegenständliche naturähnlicher zu machen,
führt zu eingehenderem Naturstudium und da-
mit zu großer Bereicherung. Im Laufe der
Zeiten sehen wir aus der Vereinigung des
Dekorativen mit dem naturähnlicher gewor-
denen Gegenständlichen Kunstwerke ent-
stehen, welche uns zu höchster Begeisterung
hinreißen.

Solange Staat und Kirche als Haupt-
protektoren der Kunst anzusehen sind, und
diese vornehmlich dazu dient, größere öffent-
liche Räume und Gebäude zu schmücken,
behalten Plastik und Malerei vorwiegend
ihren dekorativen Charakter bei. Mit dem
Zeitpunkte aber, wo sich das Privatkapital
besonders für Kunst zu interessieren beginnt,
erhält namentlich das Bild einen selb-
ständigeren Charakter. Und so unterscheiden
wir solche Bilder, welche sich der Architektur,
dem Räume, der Umgebung angliedern, also
eine begleitende Tendenz haben, und die
auch allenfalls unter dem Sammelnamen der
„ Dekorativen Bilder" gefaßt werden, im Gegen-
satz zu den selbständigen, welche namentlich
später mehr aus sich heraus und um ihrer
selbst willen entstehen und durch konzen-
triertere Verwertung der künstlerischen Aus-
drucksmittel den Blick des Beschauers be-
sonders auf sich ziehen und fesseln.

Wir sehen hieraus, daß durch eine ver-

schiedenartige Verwertung der dem Künstler
zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel
prinzipielle Unterschiede im Kunstwerke
äußerlich sichtbar zum Ausdruck gebracht
werden können.

Alle künstlerische Eigenart, ebenso wie die
scheinbar so großen Unterschiede der durch
den Wechsel der Zeiten und des Geschmacks
bedingten Richtungen, fußen einerseits auf
einer eigenartigen Naturanschauung, der Ver-
wertung der Natur und ihrer großen Gesetze,
andererseits auf der Einführung und Be-
tonung bestimmter zweckentsprechender Aus-
drucksmittel und deren gleichfalls gesetz-
mäßiger Verwertung. So sehen wir im Bilde
den künstlerischen Mitteln eine bestimmte
Rolle zugewiesen. Ihr hoher Wert wird am
besten durch die von Bayersdorfer hinter-
lassenen gewaltigen Worte von „der autoch-
thonen Kraft der künstlerischen Mittel, welche
das psychologische Gesetz ihres Wirkens in
sich tragen", bestätigt.**)

Ist es demnach für den Maler von äußerster
Wichtigkeit, sich die volle Kenntnis der
künstlerischen Mittel mit ihren Wirkungs-
möglichkeiten anzueignen, so mag dies auch
für den kunstsinnigen Beschauer von Interesse
sein. Bei der Reichhaltigkeit dieser Mittel
und ihrem dadurch bedingten verschieden-
artigen Einflüsse auf das Aeußere des Bildes
wird ihre Kenntnis den Genuß und das Ver-
ständnis eigenartiger Kunstwerke erhöhen
und ermöglichen. Namentlich wird dies der
Fall sein bei solchen Werken, welche fördernd
in die Entwicklung eingreifen und die in
ihrer meist bedingten größeren Einseitigkeit
anfangs stets auf heftigen Widerstand stoßen
und unter jener Unkenntnis schwer zu leiden
haben.

*) In nachstehendem bringen wir einen von Herrn Kunstmaler Adolf hölzel-Dachau im November 1903 im Städelschen
Kunstinstitut zu Frankfurt a. M. gehaltenen Vortrag zum Abdruck. In dem Vortrage mußte von vornherein die Darstellung auf Be-
stimmtes beschränkt werden; insbesondere konnte nur jenes Berücksichtigung finden, welches mit einer im allgemeinen angedeuteten
Entwicklung eines bestimmten Gesetzmäßigen im engsten Zusammenhange steht. Von diesem Standpunkt aus sind die hier erwähnten
Künstlernamen aufzufassen, und dabei noch zu berücksichtigen, daß vorzugsweise die Namen jener Künstler in Betracht kamen, in
deren Werken das erwähnte Gesetzmäßige am deutlichsten in Erscheinung tritt. Eine einschneidende Kürzung mußte auch der zweite
Teil des Vortrages erfahren, der über moderne Kunst handelt, so daß mit ihm nur ein flüchtiger Hinweis auf alles in unserer Zeit
entstandene Großartige gebracht werden konnte, um den Gesamtring zu schließen. Es mußten darum besonders auch hier viele Namen
und Werke von hoher künstlerischer Bedeutung unerwähnt bleiben. Aus diesen Gründen erhebt der nachstehende Vortrag, wie
sein Verfasser ausdrücklich erklärt, keinerlei Anspruch auf die Wertung als sachlich erschöpfende oder gar kunstgeschichtliche Dar-
legung Dem Verfasser ist es vielmehr darum zu tun, die Aufmerksamkeit auf jenen wichtigen gesetzmäßigen Teil der Kunst zu richten,
der die Grundlage für die äußerste Vereinfachung und Größe im Kunstwerk und die darauf bezügliche Empfindungssteigerung bildet.

Red. der .K. f. A..

**) Ad. Bayersdorfers Leben und Schriften, herausgegeben von H. Mackowsky, A. Pauli, W. Weigand (Verlagsanstalt F. Bruck-
mann, München).

Die Kunst für Alle XX.

Sl
 
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