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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Schubring, Paul: Das Kaiser Friedrich-Museum in Berlin
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Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- und Atelier-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0110

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-^Ö> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN «(^^-

wissen, wie in den
Tagen unseres größten
nationalen Unglücks,
als alles zu wanken
schien, der Gedanke
an die idealen Ziele
des Menschen sich
schöpferisch stark und
lebendig erwies [Dank-
bar dürfen wir heute
genießen, was die
grundlegende Arbeit
jener trüben Zeit ge-
schaffen, aber wir
werden dieses Ge-
nusses nur froh wer-
den, wenn wir auch
der Verpflichtungen
eingedenk sind, die er
uns auferlegt.'

Es gilt heute viel-
leicht mehr denn je,
an unseren idealen
Gütern festzuhalten,
die Erkenntnis ihres
Wertes und ihrer ret-
tenden Macht unserem
Volke mehr und mehr
zu erschließen. Diese

Anstalt soll nichts an- Kaiser friedrich-museum in Berlin michelangelo-saal
deres sein, als eine
Sammlung des Schö-
nen und Edlen der Zeiten zum Nutzen und Wasser erwidert zuerst den goldenen Gruß des
Frommen der ganzen Nation, und so möge der Tagesgestirns. Der Fluß erglüht in sanftem Feuer.
Segen Kaiser Friedrichs auch ferner über diesem Die Häupter seiner Wellen glimmen rot, orange und
Hause und über unserer Kunst waltenU grün, in den Farben des Opals. Ueber diesen Glanz

spannen sich fünf Bogen der Brücke in einem vio-
letten Blau als Silhouette. Man glaubt noch gerade
VON AUSSTELLUNGEN an die irdiscrie Existenz des Bauwerks. Aber wenn

das Wetter schön werden will und eine leicht ver-
UND SAMMLUNGEN schieierte Sonne sich über London erhoben hat, er-
lebt man ein Wunder. Inmitten des von goldenen
DERLIN. Der Salon Paul Cassirer beginnt seine Strahlen durchfunkelten blauen Wassers, gegen einen
winterlichen Vorführungen mit der Ausstellung von leichten Dünsten umnebelten blauen Himmel
der neuesten Serie Themsebilder von Claude Mo- steht in rosigem Glänze, fast durchsichtig geworden,
net. Die dreizehn Schöpfungen, die man hier von die Brücke. Ein Fischerboot mit rotbraunen Segeln,
dem berühmten Landschafter sieht, behandeln nur das ihr zustrebt, wirkt gegen sie beinahe materiell,
zwei Themen: Die Waterloo-Brücke und das Paria- Man ist geblendet von all der Pracht und hält es
mentgebäude mit dem Fluß im Vordergrund. Mit kaum für möglich, daß ein so reales Gebilde, wie
einer Feinheit ohnegleichen stellt der Künstler eine steinerne Brücke, sich so verändern kann. Von
in diesen Bildern fest, wie sich die Brücke und ähnlicher Art sind alle diese Bilder. Kaum jemals
Barrys' charaktervoller Bau, Luft und Wasser zuvor hat in Werken der Malerei die Nuance eine so
während bestimmter atmosphärischer Vorgänge zu- wichtige Rolle gespielt. Ob einmal die Luft, die Brücke
einander verhalten. Nur ein Maler, der ein so oder das Wasser heller wirkt, ist in diesen Themse-
empfindliches Auge, ein solches Gefühl für die bildern eine Angelegenheit von der größten Wichtig-
Nuance besitzt und so gar keine Schwierigkeiten keit; denn die besondere Tagesstimmung kann nur in
seiner Kunst mehr zu überwinden hat, wie Monet, solchen leisen Unterscheidungen ausgedrückt werden,
konnte sich an eine solche Aufgabe wagen. Diese Monets Bilder, auf denen an Stelle der Brücke das
Themsebilder sind der Ausdruck der höchsten Parlamentsgebäude erscheint, dürften bereits in Paris
Meisterschaft. Es scheint unmöglich, einem einzigen so viel Liebhaber gefunden haben, daß für Berlin
von ihnen den Preis zu geben. Nur ein ganz großer nur vier übrigblieben, auf denen das Gebäude stets
Künstler vermag soviel märchenhafte Schönheit als blauviolette Silhouette erscheint, und die keinen
aus der Wirklichkeit herauszusehen. Diese Brücke, Vergleich mit den Brückenbildern vertragen. Nur
über die sich eine hastende dunkle Menge, Wagen- eines, auf dem weiße Mövenflügel den sanften Schein
reihen und schwankende gelbe Omnibusse in un- des Tages hell auffangen, muß rühmend erwähnt
endlicher Folge wälzen, scheint ein Zauberwerk zu werden. Und wie sind diese Themsebilder gemalt!
sein. Bei bedecktem Himmel gleicht sie einem Man kann sich nicht leicht etwas Suggestiveres
soliden Bauwerk, dessen massive Bogen sich deut- denken, als die mit der höchsten Weisheit auf den
lieh und schwer von der fahlgrauen Luft und dem oberen Teil der Brücke gesetzten wenigen Farben-
trüben Flußwasser abheben. Wie anders schaut flecken, die, aus einiger Entfernung gesehen, die
sie aber an einem jener Nebeltage aus, wenn die vollkommenste Illusion des Verkehrs auf Waterloo-
Sonne bemüht ist, die grauen Dunstschleier zu zer- Bridge geben. Man muß sehr stumpfe Sinne besitzen,
reißen, die sich über die Stadt gelegt haben! Das um von den hohen Eigenschaften dieser Kunst nicht

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