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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Kalkschmidt, Eugen: Die Groszstadt, das Naturgefühl und die Landschaftskunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0560

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otto hettner

Künstlerbund-Äusstellung 1905 in'^Berlin

IDYLL

DIE GROSZSTADT, DAS NATURGEFUHL UND DIE
LANDSCHAFTSKUNST

Von Eugen Kalkschmidt

Der Gedankengang, den die Ueberschrift
andeutet, scheint sich unschwer erraten
zu lassen: bei der nervösen Abneigung gegen
die Großstadt, bei der häufigen Warnung vor
ihren verderblichen Einflüssen wird man auch
hier eine solche warnende Absicht vermuten.
Diese geistige Verfassung ist für unsere
Tage sehr charakteristisch. Sie wird mit zur
Kennzeichnung gerade der unanfechtbaren Be-
deutung des Großstadtgeistes anzuführen sein,
gegen die sie sich richtet. Einer Bedeutung,
die ganz gewiß in hundert Fällen nur eine
äußere zivilisatorische, nicht eine innere kultur-
liche ist, die aber doch auch für die Schaffung
wirklicher Kulturgüter fruchtbar werden kann
und zweifellos auch fruchtbar geworden ist.
Fruchtbar gerade in der Entwicklung feinster
psychischer Strahlungen und ihres künstle-
rischen Niederschlages, fruchtbar in der Er-
weiterung und Verfeinerung des modernen
Naturgefühls und der modernen Landschafts-
kunst.

I.

Die Großstadt — wir müssen uns erinnern,
daß dieser Begriff vor hundert Jahren noch
nicht vorhanden war. Es gab Städte und Dörfer,
Stadt und Land, es gab unter den Städten
große und kleine, Residenz- und Handelsstädte,
aber „Großstädte" als Abwandlungen eines ge-
läufigen typischen Begriffes gab es noch nicht.
Berlin, schon damals die volkreichste Stadt
Deutschlands — ich gehe der geschichtlichen
Einfachheit halber ausschliesslich von deut-
schen Zuständen aus — zählte noch im Jahre
1820 etwa 200000 Einwohner, das ganze Ham-
burgische Staatsgebiet hatte 1816 nur 154 000,
die Stadt Leipzig im Jahre 1800 ganze 32000
Einwohner. Heute wartet uns die Statistik
mit 33 Großstädten von mehr als je 100000
Seelen auf.

Und im gleichen Maße, wie sich die Seelen-
zahl in den großen Städten mehrte, veränderte
sich das Seelenleben in ihnen. Nicht von
Grund aus natürlich, denn Liebe, Haß und

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