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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Lismann, Hermann: Die Schule des Malers
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Vom Schweizer Kunstleben, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0231

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DIE SCHULE DES MALERS — VOM SCHWEIZER KUNSTLEBEN

ERWIN KURZ GARBENBINDERIN

Kunst die rein handwerkliche Arbeit zu setzen
sei. Der Schüler soll wissen, daß eine Natur-
abschrift in rein photographischem Sinne ein
Unding ist, welches auch „nicht einmal" in
das Schulatelier gehört, daß er die Natur
empfinden, in sich aufnehmen und vereinfacht
und umgeprägt als „Kunst" — sei es auch
nur als armselige Studie — hervorbringen
muß. Er darf von Anfang an keinen Strich
machen, der — ich möchte sagen „unkeusch"
wäre, d. h. ohne Pietät, ohne Ehrfurcht, ohne
Liebe, ohne Gebet. Die Kunst muß für ihn
eine heilige Sphäre sein. Aber das Leben
außerhalb derselben darf für ihn kein Heraus-
treten aus dem Tempel bedeuten, jede Minute
muß ihm „Kunst" sein, indem er in sich
aufnimmt, genießt und leidet und die Arbeit
selbst, die Tat, muß kommen wie ein An-
schwellen, eine erhöhte Tätigkeit, gewisser-
maßen die notwendige Entladung eines Teils
seiner Empfindungen.

Diese und andere rein technische Be-
lehrungen, die, wenn sie nicht vom Lehrer
selbst ausgehen, doch unter den Schülern sich
einigermaßen weiterverbreiten, bleiben dem,
der es versucht, ganz allein sich emporzu-
arbeiten, völlig verschlossen. Er wird infolge-
dessen ungemein viel Zeit vergeuden, bis er
durch eigene Erfahrung sich aneignet, was
andere schon längst gelernt. In den meisten
Fällen wird er sogar völlig hilflos in einer

naiven, unzulänglichen Art stecken bleiben.
Sehr häufig versumpfen diese Leute im Dilet-
tantismus, der sich selbst stets bewundernd
streichelt und beliebäugelt.

Von denen, die ein oder zwei Jahre in eine
Zeichenschule treten und sich dann als selbst-
ständige „Kunstmaler" etablieren, wollen wir
nicht sprechen, da wir nicht beabsichtigen,
das Komische in den Bereich unserer Be-
trachtungen zu ziehen. — Wenn wir also
die heutige allgemein übliche Ausbildung des
Malers: Akademie, Privatschule oder Selbst-
unterricht im allgemeinen als ungeeignet be-
trachten, so erklären wir zugleich, daß unser
Ideal einer „Malschule" in dem freundschaft-
lichen Zusammenarbeiten mit einem wirklich
bedeutenden Künstler oder dessen besten
Schülern zu suchen ist. Heute ist es freilich
noch dem Glück des einzelnen Studierenden
überlassen, eine derartige Schule zu finden;
hoffen wir aber, daß doch früher oder später
einzelne Künstler den Charakter haben bezw.
in der günstigen Lage sind, Geld oder Pro-
fessorwürde zu verachten, um sich in der
geschilderten Weise einzelnen begabteren
Schülern widmen zu können.

VOM SCHWEIZER KUNSTLEBEN

Tn unserer Kunsthalle hat vor einiger Zeit eine
^ Spezialausstellung von Bildern des in München
lebenden Schweizer Landschafters W. L. Leh-
mann stattgefunden. Es ist in ihm ein durchaus
eigenartiger Darsteller der Alpenwelt zu begrüßen.
Kein Konventionelles stört in Lehmanns Bildern;
sondern in großen mächtigen Zügen einer eigen-
artigen Auffassung werden uns die Gletscherseen,
die Hochtäler und Berggipfel vorgeführt. Lehmann
vermag damit — und dies ist wohl ein höchstes
Lob — auch diejenigen wieder zu interessieren,
welche, vom fexenhaften Mode-Bergsport und der
ihn begleitenden schablonenmäßig gewordenen Hoch-
gebirgsmalerei angewidert, die echte Poesie im
paysage intime zu finden sich angewöhnt haben.
Lehmann aber zeigt plötzlich ein neues, persön-
liches Interesse für die Alpen, und da er groß
empfindet, groß sieht und mit meisterlichem Können
dieses Empfundene außer sich setzt, so gewinnt er
auch uns, die Nichthochgebirgler und Nichtclubistcn
wieder. Leider locken seine unbestreitbaren und ver-
dienten Erfolge schon die Nachahmer — sogenannten
»Schüler«, aber diese werden, wie alles Schul-
mäßige in der Kunst, bald abgewirtschaftet haben.
Wir hoffen aber, Lehmanns Originalität sei so groß,
daß dann, wenn die »Schüler« in die gebührende
Verachtung sinken, Lehmanns eigene Kunst nicht
davon möge betroffen und immer so geschätzt werden,
wie sie es verdient. Eines der Bilder Lehmanns
»Mondaufgang auf der Bernina« ist fürs Basler
Museum erworben worden. Von diesem selben
Museum aus ist durch dessen Konservator Dr. Paul
Ganz, Privatdozenten an der Universität, unter Mit-
wirkung der Professoren Dr. D. Burckhardt (Basel)

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