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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Raaff, J. J.: Über das Konservieren von Gemälden
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0485

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ÜBER DAS KONSERVIEREN VON GEMÄLDEN

Aus einem Interview eines berühmten hol-
ländischen Fachmannes, H. Heydenryk
in Amsterdam, entnehmen wir folgendes:
Die meisten Gemäldemuseen lassen in be-
stimmten Perioden regelmäßig ihre ganzen
Schätze reinigen. Die Gemälde werden dann
einfach mit einem Schwamm mit Wasser und
Marseille-Seife, die sehr wenig Lauge ent-
hält, abgewaschen und der fettige Nieder-
schlag aufgelöst. Dann werden sie sehr ge-
wissenhaft mit einem Fensterleder der besten
Sorte abgetrocknet. Es sollen auch andere
Mittel dafür gebraucht werden.

Nicht bei allen Gemälden jedoch genügt
ein einfaches Abwaschen. Es gibt welche,
wo die Farbschicht hie und da aufgebauscht
ist, woraus geschlossen werden kann, daß
sie nicht mehr hält. Oder wenn das Gemälde
infolge von Rissen nicht mehr luftdicht ist,
muß die schadhafte Stelle breitgepreßt werden
oder braucht das Gemälde eine neue Lein-
wand.

Bisweilen auch spürt man nach dem Ab-
waschen, daß ein neuer Firnis dringend not-
tut. Wird auf der alten Schicht ein neuer
Firnis gestrichen, dann würde er bald dunkel-
braun und schmutzig werden. Dann muß
zuvor die alte Schicht abgerieben werden.
Aber hierüber später.

Zunächst etwas über das Regenerations-
verfahren. Auf vielen Gemälden hat sich die
Firnisschicht noch genügend erhalten, aber
durch Einwirkung der Atmosphäre ist die
Oberfläche weniger durchsichtig geworden.
Solche Gemälde werden regeneriert — ein
von Pettenkofer zuerst angewandtes Ver-
fahren. Mit der Farbseite nach oben wird
das Gemälde auf einen Tisch gelegt und
darüber die Regenerationskiste gestellt, eine
Art Holzkasten, dessen Boden mit Barchent
bespannt ist. Auf diesen Barchent wird
vorsichtig Alkohol gespritzt. Die Kiste steht
so dicht über dem Gemälde, daß dies vom Bar-
chent unberührt bleibt, aber die Firnisschicht
doch mit dem Alkoholdampf in Kontakt kommt.
Gemäldefirnis besteht aus Damarlack oder
Mastix in Terpentin aufgelöst. Durch den
Alkoholdampf dehnen sich die eingetrockne-
ten Harzteile aus und der Firnis wird wieder
durchsichtig. Ist die Firnisschicht geborsten,
so verschwinden gewöhnlich die Risse von
selber.

Stellt es sich heraus, daß nach dem Regene-
rationsprozeß der Firnis eine unnatürliche Fär-

bung annimmt, dann beweist das, daß unter
der Firnisschicht sich Schmutz befindet. Die
alte Schicht muß dann entfernt werden. Hier-
für gibt es zwei Methoden. Die einfachste
ist, die Schicht mit Watte, die in Alkohol ge-
taucht ist, aufzulösen. Aber sie ist zu gleicher
Zeit die gefährlichste Methode; denn wo der
Maler eine vorläufige Firnisschicht übermalt
hat, wird mit dem Alkohol zugleich auch
die Farbe entfernt. Ist man also hierüber
nicht ganz sicher, dann bleibt nichts anderes
übrig, als den Firnis mit den Fingern abzu-
reiben. Ganz vorsichtig wird die Schicht mit
den Fingerspitzen gerieben, bis sie als weißes
Pulver sich loslöst. Auf die Weise kann man
genau so viel und so wenig entfernen, als
man wünscht. Das Verfahren ist langwierig,
denn für ein Gemälde von z. B. 50 bei 50 cm
braucht man bald ein paar Tage. Aber die
Methode ist eine sichere, wenigstens wenn
sie mit Vorsicht angewandt wird und man
die Hand so stützt, daß sie auf der Lein-
wand keine Eindrücke hinterläßt. Das ganze
Tuch sieht dann aus, als ob es mit Mehl
bestäubt wäre. Ist aller Firnis genügend ab-
gepulvert, dann wird noch einmal regeneriert,
wodurch der Firnis sich wieder ausdehnt und
abgerieben werden kann, bis schließlich alles
entfernt ist und eine neue Schicht aufgebracht
werden kann.

Oefters stellt sich auch heraus, daß die
Leinwand im Laufe der Jahre zu sehr ge-
litten hat, so daß die Farbschicht nicht länger
hält; sie bröckelt ab und das Gemälde würde
auf die Dauer zugrunde gehen. Dies kommt
öfter vor bei Gemälden, die längere Zeit ver-
borgen geblieben und endlich an das Tages-
licht gebracht sind. Denn nichts ist für
Gemälde so ruinös als Feuchtigkeit und ab-
wechselnd kalte und warme Temperatur. Da-
her halten sie sich in der gleichmäßigen
Atmosphäre der Museen am längsten.

Ein solches Gemälde braucht eine neue
Leinwand. Auch hierfür hat jeder seine
eigene Methode; ich folge der meines Lehr-
meisters Hopman, und wenn ich auch nicht
behaupten will, daß sie unfehlbar ist, sie
hat sich bis jetzt sehr gut bewährt.

Die Methode wird in folgender Weise an-
gewendet: Das Gemälde wird auf einen Tisch
gelegt, dessen Oberfläche mit Watte bedeckt
ist, darüber wird Leinen gespannt und das Ganze
mit Papier fest beklebt. Die Berührungsfläche
der Farbschicht muß selbstverständlich sehr

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