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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Georg, Johann: Der Sacro Monte von Varello
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0198

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291

1909. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — N>. 10.

292

Der Sacro Monte von Varello.

(Mit 2 Abbildungen.)

as malerisch am Rand der Alpen
gelegene Varello ist weithin durch
seinen Sacro Monte bekannt. In
jeder Kunstgeschichte ist dieser
rühmend erwähnt. Aber verhältnismäßig wenige
Reisende suchen ihn auf, da er nicht ganz
leicht zu erreichen ist. Aber wer jemals dort
gewesen ist, hat sicher unvergeßliche Ein-
drücke mitgenommen. Denn nicht bloß edle,
wahrhafte religiöse Kunst tritt ihm dort ent-
gegen, sondern auch herrliche Natur.

Der Sacro Monte oder das neue Jerusalem,
wie er auch genannt wird, ist von dem seiigen
Bernardino Cacinno vom dritten Orden des
heiligen Franziskus 1491 angelegt worden.
Vorher ist der Stifter in Jerusalem gewesen
und suchte nun hier
die heiligen Stätten
nachzuahmen. Schon
Innozenz VIII. ver-
sah die Wallfahrt zu
dem Berge mit Ab-
lässen. Eine berühmte
Besucherin aus der
ersten Hälfte des
XVI. Jahrh. ist die
heilige Angela Merici.
Ganz besonders aber
kamen die Wallfahrten
in Aufnahme, nach-
dem der heilige Karl Borromeo dort ge-
wesen war.

Am Fuß des Sacro Monte liegt die Kirche
Santa Maria delle Grazzie, wo Gandenzio
Ferrari eines seiner schönsten Werke ge-
schaffen hat. Von da ist der Aufstieg ge-
pflastert und ziemlich steil, wird aber von
Kastanien beschattet. Die Kapellen und
Heiligenbilder, die am Wege liegen, sind von
geringem Kunstwerte. Man braucht sich deshalb
nicht lange dabei aufzuhalten. — Einen Teil der
Baulichkeiten veranschaulichen die Abb. 1 u. 2.

Der eigentliche Sacro Monte besteht aus
einer Kirche und 45 Kapellen. Die Kirche
ist im Barockstil erbaut. Die schöne Bronze-
türen sind mit Reliefs geschmückt. Das
Innere ist überreich. In der Kuppel ist Maria
Himmelfahrt dargestellt, teils Fresko, teils
Relief, geradezu verwirrend. — Die Kapellen
sind durch Loggien, Treppen und Buchs-

Abbildung l.

baumhecken miteinander verbunden. In
ihnen ist die heilige Geschichte vom Sünden-
fall bis zu Maria Tod dargestellt. Es ist eine
Verbindung von Fresko und lebensgroßen be-
malten Tonfiguren, zum Teil sehr wirkungsvoll,
realistisch aber doch edel. Nur stören oft
die natürlichen Haare. Schade ist, daß man
sie immer nur durch ein Gitter sehen kann.
Natürlich kann ich nicht alle aufführen und
beschränke mich deshalb auf einige.

Die erste Kapelle enthält den Sündenfall
und die Vertreibung aus dem Paradies. Es
ist dies die einzige, die ausschließlich dem
alten Testament gewidmet ist, vielleicht die
schwächste. Bei manchen andern ist im Hinter-
grund ein Vorbild aus dem alten Testament
gemalt.

Die Kapellen, die
uns die Jugend-
geschichte des Herrn
vorführen, enthalten
manche sehr poetische
Darstellungen. Be-
sonders schön ist der
Zug der heiligen drei
Könige, der von der
Hand Gandenzio

Ferraris stammt. Die
Geburt Christ ist in
einer genauen Nach-
bildung der Grotte von Betlehem dargestellt
und deshalb in der Dunkelheit nur schwer
zu erkennen.

Das Abendmahl ist ziemlich realistisch.
Auf dem Tische stehen Geräte in natürlicher
Größe und Farbe, was etwas unruhig wirkt.
Christus und die Apostel sind aber doch
sehr edel.

Die Kreuztragung ist ergreifend. Über-
raschend wirkt es, wie ein Soldat die heilige
Frau aufhalten will. Diese Gruppe ist aber
gerade besonders gut. Auch die Annagelung
ist schön komponiert.

Den Gipfelpunkt von allen bildet die
Kreuzigung, ein Werk Gandenzios. Hier kann
man zum Glück an mehreren Stellen hinein-
sehen. Christus am Kreuz, ein erschütterndes
Werk, ist nicht ganz in der Mitte. Interessant
sind die Figuren der Pharisäer und Römer,
köstlich der Hauptmann. Das schönste aber
 
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