Padisches Gewcrbeblatt.
Beilage zum Mannheimer Morgenblatt Xo. 47.
Xo. 8. Mannheim 24. Februar. 1843.
La« . Badische Gewcrbeblatt" erscheint wöchentlich einmal. — Geeignete Beiträge, welche an die -Rcdaction des Morgcnblattes io
Mannheim zu richren sind, werden von Jedermann mit Dank ausgenommen. — Bestellungen auf das „Mannheimer Morgenblatt" nehme»
«Ule Postanstalten Deutschlands an. Pteis das halbe Jahr — vom i. Januar bis so. Juni — in ganz Baden mit Inbegriff der Poü-
Gebuhren fl. 2. 48 kr.
Die Innungen oder freie Concurenz
der Handwerksgenoffen.
Kaum sind 12 dis 13 Jahre verflossen daß
man auch bei uns eins unbedingte Gewerbsrei-
heit begünstigte und die Zünfte zwar nicht gänz-
lich aufhob, doch nur noch dem Namen nach
bestehen ließ. Man glaubte, auf diese Weise
zu Stiefeln, Röcken, Tischen u. s. w. für ein
Viertheil des alten Preises zu gelangen; aber
siehe da, die Preise haben sich wenig geändert
und der Armuth ist ein großer Vorschub gelei-
stet worden; man klagt jetzt, daß Wohlstand
mehr und mehr unter der Bürgerklasse ver-
schwinde. Ich glaube, manche Ursache hiervon
nachweisen zu können.
Als man den Zunftzwang erleichterte oder
gar aushob, als man das Meisterrecht Jedem
gab, der sich auf seine Fertigkeit zu nähren ge-
traute, da wähnte ich auch, so sei es wehlge-
than; mancher arme Geselle könne nun auch
das Haupt erheben, und eine freie Concurrenz
müsse die Gewerbe heben und billige Waare lie-
fern. Warum sollte der Mensch nicht seinem
Vortheile das Wort reden, wenn er noch dazu
glaubt, für den andern erblühe damit auch das
Bessere? Ich dachte, nun manchen Groschen
mehr an ein Vergnügen wenden zu können,
den ich sonst dem Handwerksmanne, nach mei-
ner Ansicht, zu viel gegeben. Gar Mancher hat
der freien Concurrenz aus keinem andern Grunde
das Wort geredet. Doch nahm ich mir vor, zu
beobachten, was für Vortheile es dem Ganzen
oder dem Einzelnen brächte, weil man doch Kei-
nem auf Unkosten eines Andern helfen soll, und
meine Beobachtungen lege ich hier nieder, frei
und unbefangen und Niemanden scheuend. Hat
Jemand das Gegentheil erlebt, so mag er es
auch öffentlich mittheilen. Nach einer Reihe
von Jahren muß man doch wohl im Stande
sein, ein Wort der Erfahrung über die Sache
zu reden.
Daß man die Zunftverhältrn'ffe in den Hin-
tergrund treten ließ, hat zuerst zur Unsittlich-
keit beitragen helfen. D:e Zünfte waren ge-
stört, Jeder stand für sich: das Verhältniß zwi-
schen Lehrling, Gesellen und Meister hat aufge-
hört: was ist dakaus entstanden? Jungen, die
bei unfern Vorfahren zu Hause bleiben mußten
und ein nützliches Buch lesen, schwärmen auf
den Gassen herum und die Polizei ist nicht im
Stande, sie in Ordnung zu halten. Als die
Zünfte noch bestanden, mußte der Lehrling sich
gut betragen, stand unter Aufsicht des Gesellen
und dieser konnte ihn mit Wort und That zur
Pflicht zurückführen. Ein guter Corporations-
geist thut mehr, als alle Polizei, und den hat
man vernichtet, als man von dem Verbieten ei-
ner Mahlzeit das Glück und Heil des Staates
erwartete. Jungen, die kaum der Schule ent-
lassen, aber sogenannte Lebrbursche sind, gehen
jetzt mit langen Pfeifen im Munde auf der Gasse
umher und blasen den Vorübergehenden den
Dampf emgegen. Sonst schlug ihnen der Ge-
selle die Pfeife aus dem Munde, er litt keinen
Lehrling neben sich im Bierhause und bei'm
Tanze, und dieß war in der Ordnung. Der
Geselle ist jetzt nicht mehr Aufseher des Lehr-
lings, denn die Zunftverhältnisse sind gestört;
auch der Meister übt nicht mehr seine Pflichten,
wie er sollte, weil seine Zunftrechte gekränkt
sind. Wenn der unbeaufsichtigte Lehrling sich
abgetobt hat und Geselle werden will, erschei-
nen kaum zwei oder drei Meister im Handwerk
um den Act zu vollziehen. Der sittliche Halt
der Zünfte ist mit ihren bürgerlichen Rechten
dahin.
Die Zerstörung dieser Rechte hat aber auch
einen großen Riß in den Wohlstand der Hand-
werker gebracht. Dieß zu beweisen, wird mir
wahrlich nicht schwer werden, denn sprechende
Zeugnisse finden wir überall. Die Meister ha-
ben sich, weil man ihnen das Meifierrecht für
Beilage zum Mannheimer Morgenblatt Xo. 47.
Xo. 8. Mannheim 24. Februar. 1843.
La« . Badische Gewcrbeblatt" erscheint wöchentlich einmal. — Geeignete Beiträge, welche an die -Rcdaction des Morgcnblattes io
Mannheim zu richren sind, werden von Jedermann mit Dank ausgenommen. — Bestellungen auf das „Mannheimer Morgenblatt" nehme»
«Ule Postanstalten Deutschlands an. Pteis das halbe Jahr — vom i. Januar bis so. Juni — in ganz Baden mit Inbegriff der Poü-
Gebuhren fl. 2. 48 kr.
Die Innungen oder freie Concurenz
der Handwerksgenoffen.
Kaum sind 12 dis 13 Jahre verflossen daß
man auch bei uns eins unbedingte Gewerbsrei-
heit begünstigte und die Zünfte zwar nicht gänz-
lich aufhob, doch nur noch dem Namen nach
bestehen ließ. Man glaubte, auf diese Weise
zu Stiefeln, Röcken, Tischen u. s. w. für ein
Viertheil des alten Preises zu gelangen; aber
siehe da, die Preise haben sich wenig geändert
und der Armuth ist ein großer Vorschub gelei-
stet worden; man klagt jetzt, daß Wohlstand
mehr und mehr unter der Bürgerklasse ver-
schwinde. Ich glaube, manche Ursache hiervon
nachweisen zu können.
Als man den Zunftzwang erleichterte oder
gar aushob, als man das Meisterrecht Jedem
gab, der sich auf seine Fertigkeit zu nähren ge-
traute, da wähnte ich auch, so sei es wehlge-
than; mancher arme Geselle könne nun auch
das Haupt erheben, und eine freie Concurrenz
müsse die Gewerbe heben und billige Waare lie-
fern. Warum sollte der Mensch nicht seinem
Vortheile das Wort reden, wenn er noch dazu
glaubt, für den andern erblühe damit auch das
Bessere? Ich dachte, nun manchen Groschen
mehr an ein Vergnügen wenden zu können,
den ich sonst dem Handwerksmanne, nach mei-
ner Ansicht, zu viel gegeben. Gar Mancher hat
der freien Concurrenz aus keinem andern Grunde
das Wort geredet. Doch nahm ich mir vor, zu
beobachten, was für Vortheile es dem Ganzen
oder dem Einzelnen brächte, weil man doch Kei-
nem auf Unkosten eines Andern helfen soll, und
meine Beobachtungen lege ich hier nieder, frei
und unbefangen und Niemanden scheuend. Hat
Jemand das Gegentheil erlebt, so mag er es
auch öffentlich mittheilen. Nach einer Reihe
von Jahren muß man doch wohl im Stande
sein, ein Wort der Erfahrung über die Sache
zu reden.
Daß man die Zunftverhältrn'ffe in den Hin-
tergrund treten ließ, hat zuerst zur Unsittlich-
keit beitragen helfen. D:e Zünfte waren ge-
stört, Jeder stand für sich: das Verhältniß zwi-
schen Lehrling, Gesellen und Meister hat aufge-
hört: was ist dakaus entstanden? Jungen, die
bei unfern Vorfahren zu Hause bleiben mußten
und ein nützliches Buch lesen, schwärmen auf
den Gassen herum und die Polizei ist nicht im
Stande, sie in Ordnung zu halten. Als die
Zünfte noch bestanden, mußte der Lehrling sich
gut betragen, stand unter Aufsicht des Gesellen
und dieser konnte ihn mit Wort und That zur
Pflicht zurückführen. Ein guter Corporations-
geist thut mehr, als alle Polizei, und den hat
man vernichtet, als man von dem Verbieten ei-
ner Mahlzeit das Glück und Heil des Staates
erwartete. Jungen, die kaum der Schule ent-
lassen, aber sogenannte Lebrbursche sind, gehen
jetzt mit langen Pfeifen im Munde auf der Gasse
umher und blasen den Vorübergehenden den
Dampf emgegen. Sonst schlug ihnen der Ge-
selle die Pfeife aus dem Munde, er litt keinen
Lehrling neben sich im Bierhause und bei'm
Tanze, und dieß war in der Ordnung. Der
Geselle ist jetzt nicht mehr Aufseher des Lehr-
lings, denn die Zunftverhältnisse sind gestört;
auch der Meister übt nicht mehr seine Pflichten,
wie er sollte, weil seine Zunftrechte gekränkt
sind. Wenn der unbeaufsichtigte Lehrling sich
abgetobt hat und Geselle werden will, erschei-
nen kaum zwei oder drei Meister im Handwerk
um den Act zu vollziehen. Der sittliche Halt
der Zünfte ist mit ihren bürgerlichen Rechten
dahin.
Die Zerstörung dieser Rechte hat aber auch
einen großen Riß in den Wohlstand der Hand-
werker gebracht. Dieß zu beweisen, wird mir
wahrlich nicht schwer werden, denn sprechende
Zeugnisse finden wir überall. Die Meister ha-
ben sich, weil man ihnen das Meifierrecht für