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Pa-isches Gewerbeblatt.
Beilage zum Mannheimer Morgenblatt No. 232.
No. 39. Mannheim 4. October. 1843.

Das , Badische Gewerbeblatt" erscheint wöchentlich einmal. — Geeignete Beiträge, welche an die Redaction des Morgenblattes in
Mannheim zu richten sind, werden von Jedermann mit Dank ausgenommen. — Bestellungen aus das „Mannheimer Morgenbiart" nehmen
alle Postanstalten Deutschlands an. Preis das viertel Jahr — vom i. Octobcr bis Zi. Dezember — in ganz Baden mit Inbegriff der Post-
Gebühren fl. i. 2» kr. — In Würtcmberg, Baiern, Hessen, Sachsen, Preußen, Schweiz, Frankreich re. etwa fl. l. U5 kr.

Ueber den Zustand der arbeitenden
Klaffen und die Mittel zur Verbesserung
desselben.
Es wird so leicht Niemanden geben, der zu
läugnen wagt, daß das Lsos der arbeitenden
Klassen bei uns sowohl, wie in den andern
Landern im Durchschnitt ein ungünstiges sei, daß
es nichts zu wünschen übrig lasse und daß es
keiner Verbesserung würdig, keiner Verbesserung
bedürftig sei. Vielmehr wird jeder Denkende
im Allgemeinen zugeben, daß mehr oder weni-
ger unter diesen Klaffen großes sittliches wie
leibliches Elend, Verwahrlosung und Entartung
herrsche, das zu beseitigen Pflicht der Menschen-
liebe, wie Gebot der Klugheit ist. Ueber die
Mittel nur, diese Verbesserung Herbtizuführen,,
herrscht großer Zwiespalt in den Meinungen.
Man geht auf einer Seite so weit , zu verlangen,
daß man die Beschäftigungen selbst beschränke
oder gar aufhebe, woraus bisher diese Klassen
noch ihren kärglichen Erwerb zogen; während
man wiederum den Grund all dieser bösen Zu-
stände in dem Druck und der Gewinnsucht derer,
die besagten Klaffen diese Beschäftigungen geben,
zu finden glaubt. Auf solche Weise stellt man
die beklagenswerthen Uebel, als blos von Außen
kommend, hin, die man mit äußeren Mitteln
auerotten zu können meint, während die äuße-
ren Ursachen nur einen Theil des Nebels ver-
schulden, dis inneren hingegen hauptsächlich sein
Fortwähren und Unter sich fressen veranlassen. Es
scheint uns eine sehr gefährliche Doktrine, wie
cs geschieht, Tag für Tag den arbeitenden Klaffen
zuzurufen, daß ihnen ein besseres Loos gebühre,
als das sie jetzt besitzen, ohne sie zugleich auf
das aufmerksam zu machen, was von ihrer ei-
genen Seite verabsäumt wird, um sich desselben
würdig zu machen und in seinen Besitz zu ge-
langen. Wir fühlen so warm wie einer für
jene Klassen und wünschen nichts sehnlicher, als
daß dieselben aus dem Zustand moralischer und

physischer Hörigkeit emporgehoben werden zu dem
Bewußtsein und dem Genuß ihrer Würde; aber
weil wir dies wünschen, müssen wir vor Allem
darauf bestehen, daß sie selbst Hand anlegen,
um von ihrer Seite, so weit es in ihren Kräften,
das zu entfernen, was einer solchen Erhebung
entgegenfteht.
Nimmer dürfen sich die arbeitenden Klassen
durch die Noch, in der sie sich befinden, der
Verantwortlichkeit ihres eigenen Betragens über-
hoben wähnen, so weit dasselbe dazu beitragen
kann, ihre Lage in etwas zu erleichtern. Und
in dieser Hinsicht kann man in Wahrheit behaup-
ten, daß im Durchschnitt von Seite der Be-
völkerung, die von ihrer Handarbeit lebt, wenig
geschieht, um ihre Befreiung aus dem trostlosen
Zustande vorzubereiten, in dem sie zum großen
Theil noch weilt. Und daran scheitern denn
zuletzt alle Bemühungen und Anstrengungen der
Menschenfreunde, welche die äußeren Ursachen
des Uebels Hinwegzuräumen sich bestreben.
Der Grundfehler, von dessen Ausrottung
unter den arbeitenden Klaffen zuerst ihre Eman-
cipation dcttiren wird, ist ihre Verschwendung.
Es kann lächerlich klingen, wenn man bei Stän-
den, deren Klagen hauptsächlich immer den kärg-
lichen Lebensunterhalt, Mangel an den noth-
wendigsten aller Lebensbedürfnisse zum Gegen-
stand haben, von Verschwendung spricht. Und
doch ist dem so. Die Verschwendung, die Ver-
geudung des Verdienstes sowohl, wie der Kräfte,
dasselbe zu erhalten, ist der Gegner, welcher
an dem Lebenspulse der arbeitenden Klassen nagt
und allen andern Ursachen des Uebels erst den
fruchtbaren Boden bereitet.
Und dies ist der Hauptunterschied, welcher
zwischen ihnen und den sogenannten Mittelstän-
den besteht, die wenigstens bei uns nach ihrer
Lebensweise und ihren Bedürfnissen durchschnitt-
lich hinsichtlich ihrer Mittel oft verhältnißmäßig
sich nicht besser gestellt sehen, als jene. Denn
 
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