Badisches Gerverbeblatt
Beilage zum Mannheimer Morgenblatt No. 118.
No. 20. Mannheim 20. Mai. 1843.
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Die Spinnmaschinen.
Vor Erfindung und Benutzung der Spinn-
maschinen und seit Menschengedenken war ledig-
lich den Weibern, Kindern und den Gebrechli-
chen das Spinnen des Flachses, der Schaf- und
Baumwolle einzig und allein überwiesen. Diese
Beschäftigungsweise entsprach vollkommen den
Kräften, Gewohnheiten und Fähigkeiten der Be-
theilrgten und gewährte hauptsächlich dem ärme-
ren Theile der Bevölkerung hinreichenden Ver-
dienst, um mit Zufriedenheit, wenn gleich in
Armuth, der gestellten Lebensaufgabe entsprechen
zu können. Dieser Erwerbszweig hatte einen
sichern Grund an seiner Ungeheuern Ausdehnung
und kein anderes Gewerbe ist jemals in einem
! so richtigen Verhältniß der gelieferten Arbeit zum
Bedarf verblieben, denn mit der Verminderung
oder Vermehrung der Bevölkerung fielen oder
stiegen diese gemeinsam Hand in Hand. Durch
die Ergebnisse der Spinngeschäfte schien die Wohl-
! fahrt der Armen auf immer gesichert zu sein.
Seit Jahrtausende hatten sie ja mit Fleiß und
Geschicklichkeit den Anforderungen des überwie-
! senen Geschäfts vollkommen genügt, und hatten
dadurch ein vollständiges, unbestreitbares Ver-
jährungsrecht darum erworben.
Diese schönen, für die Armuth beglückenden
Verhältnisse wurde aber leider! durch die Er-
findung und Benutzung der Spinnmaschinen zer-
stört und größtentheils vernichtet. Ein gewalti-
ger, schmerzhafter Riß in dem Haushalte der
ärmeren Bevölkerung erfolgte, als dieser die
Maschinenchätigkeit das Wollespinnen, den bes-
seren Theil ihres bisherigen Verdienstes entris-
sen hatte, und verwandelte die freudig ertragene
Armuth in eine sehr drückende. Bei Berathung
über das allgemeine Wohl der Bevölkerung auf
den Landtagen, war bisher der ärmeren Klaffe
der Arbeiter eine persönliche Vertretung ihrer
Rechte nicht zugelaffen, und so verloren sie den
besten Theil des ihnen seit Entstehung der Ci-
vilisation angewiesenen und Jahrtausende hin-
durch inne gehabten Verdienstes, ohne daß ih-
nen die geringste Entschädigung dafür geboten
wurde.
Allgemein herrschte die Meinung vor, die
Einführung der Maschinen bringe der mensch-
lichen Gesellschaft großen Segen, bereichere die
Bevölkerung und erhebe durch den erworbenen
Neichthum ihre Macht. Das Arbeitspensum der
Handarbeiter solle an Umfang und Ergiebigkeit
durch das Dasein der mit Maschinen betriebe-
nen Fabriken sogar noch gewinnen, behaupteten
Viele, indem ein jedes derartige Etablissement
eine große Anzahl Arbeiter beschäftige und da-
bei gut lohne. Dieses stimmt aber mit dem Be-
funde der Wirklichkeit nicht, da zehn angestellte
Arbeiter, mit Beihülfe der Maschinen in einem
Tag so viel Arbeit liefern können, als hundert
fleißige Spinner mit dem Rade in der nämli-
chen Zeit zu liefern vermögen. Auf jede zehn
bei einer Spinnmaschiene angestellte Arbeiter
sind wenigstens neunzig arbeitslos gewordene
zu zählen. Selbst die zehn begünstigten Arbei-
ter haben einen unsichern Unterhalt, da das
Fabrikwesen häufigen Stockungen ausgesetzt ist.
Der arme Taglöhner, Handlanger, Holz-
hauer, Steinbrecher, Maurer, Zimmermann u.
s. w. kann durch Handarbeit nicht so viel er-
schwingen, als seine und seiner Familie Erhal-
tung erheischt. Frau und Kinder müssen auch
verdienen, ja der Hausvater muß oft selbst,
wenn ihn der Winter arbeitslos stellt, an der
Arbeit der ersteren Theil nehmen. Bei dem Schaf-
wollespinnen verdiente ein Kind von 10 — 14
Jahren täglich - — 8 kr., eine Person von
höherem Alter und bei vollen Kräften 20—40
kr. War das Jahr zu Ende, so hatten diese
Spinner auch noch das Material zu einer so-
liden Bekleidung durch Bevortheilung ihrer Brod-
Herren erübrigt. Den Herren Tuchmachern war
der Verlust der sie insgeheim treffen sollte, wohl