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Dadisches Gewerbeblatt.
Beilage zum Mannheimer Morgenblatt No. 158.

No. 27. Mannheim 8. Juli. 1843.

Das , Badische Gewcrbeblatt" erscheint wöchentlich einmal. — Geeignete Beiträge, welche an die Redaction des Morgenblattes in
Mannheim zu richten sind, werden von Jedermann mit Dank ausgenommen. — Bestellungen aus das „Mannheimer Morgendlatt" nehmen
alle Postanstalten Deutschlands an. Preis das halbe Jahr — vom l. Juli bis 3i. Dezember — in ganz Baden mit Inbegriff der Post.
Gebühren fl. 2. as kr. — In Würtemberg, Baiern, Hessen, Sachsen, Preußen, Schweiz, Frankreich rc. etwa fl. 3. 50 kr.

Schutz des deutschen Gewerbfleißes.
Wenn man von den Redensarten unsere Ta-
gesblätter und dem Eifern unserer Gcwrrbtrei-
denden gegen die Schutzlosigkeit der brutschen In-
dustrie einen Schluß auf das wirklich im Volke
vorhandene Selbstbewußtsein, andern Völkern
gegenüber, auf die, den Flüchten unseres va-
terländischen Gewerbfleißes zu Thril werdende
Würdigung und Anerkennung machen wollte,
so würde man sich sehr täuschen. Denn noch
ist in unserm Patriotismus viel zu viel bloßes
Schaugepränge; noch stnd wir in zu vielen Din-
gen die sich selbst entehrenden Anbeter des Aus
landes und alles dessen, was den Namen des
letzteren führt.
Gott behüte uns vordem unglücklichen Wahne,
unser Volk habe vor allen anderen eine
hohe weltgeschichtliche Aufgabe zu lösen, der
Character unseres Volkes-» übertreffe an Tüchtig-
keit und sittlichem Ernste den aller übrigen Völ-
ker, unsere Leistungen trügen den Stempel so
großer Vollkommenheit, daß wir des Auslan-
des gar nicht bedürften und uns selbst genug
sein könnten. Es sind das unsere größten Feinde,
welche uns solches einreden wollen. Der wahre
Patriotismus vergißt der Bescheidenheit nicht,
welche nicht bloß im Privatleben, sondern auch
im Völkerleben ein Ausfluß reiner Menschen-
liebe und des Vertrauens auf das Göttliche im
Mitmenschen ist, und uns vor manchem Irr-
thume und mancher Thorheit bewahrt; der wahre
Patriotismus geht nicht aus Vergleichung mit
dem Auslande, nickt aus dem selbstgefälligen
sich Erheben über Andere hervor; — sondern
er ist die natürliche Freude über das eigene Da-
sein, das frohe Selbstgefühl des ungeschwäch-
tes, in weiterer Entfaltung begriffenen Volks-
lebens, zugleich aber auch die innere Kraft, wel-
che den auf den Organismus von außen ein-
wirkenden Störungen sich entgegenstemmt, sich
nichts ausdringen läßt, sondern frei das ihm

Dienliche auswählt. — Doch zurück von dieser
Abschweifung zu dem eigentlichen Zwecke unse-
rer Bkmerkungcn.
Wir wollen dem vaterländischen Gewerb-
fleißc durch Schutz gegen außen aufhelfen, dem-
selben die ihm gebührende Ehre im Auslande
verschaffen; wir sehen in Gedanken fchon deut-
sche Flotten mit deutscher Flagge nach fer-
nen Zonen mit deutschen Gcwerbserzeugniffrn
segeln: aber in Deutschland wollen wir die
deutschen Maaren nicht anerkennen, in Deutsch-
land soll das Deutsche keinen Werth haben,
nur die englische und französische Waare
schön und gut sein. Vieles von dort ist noch
besser als das nnsrige; aber auch das, was in
derselben Güte, von derselben Schönheit in un-
serem Vaterlande gemacht wird, was selbst in
jenen Ländern als solches anerkannt wird, das
getrauen wir uns im eigenen Lande nicht für
eigenes Erzeugniß zu erklären; wir kleben ihm
ein engltsches oder französisches Fabrikzeichen
auf. Kommt man zu einem Schnittwaaren-
dändler so sind alle Stoffe aus Frankreich und
England; denn welcher Mann von feinem Ge-
schmacks, welche Frau, welche die neueste Mode
mitmachen will, will sich mit deutschen Stoffen
begnügen? Deutsche Stahlwaaren find unbrauch-
bar, wenn sie nickt erst die Reise nach einer
deutschen Seestadt gemacht haben, und dort mit
englisch m Stempel versehen worden find. Wollte
doch kürzlich Jemand den deutschen Ursprung
eines deutschen Nußknackers bezweifeln, weil
ihm solcher zu schön gearbeitet schien. Deutsche
Hüte bekommen in derselben Stadt, wo sie ge-
fertigt sind, erst dann die richtige Fa§on , wenn
man sie, — das stellt der Verkäufer ins Be-
lieben, — mit einem englischen oder französi-
schen Taufzeugriß versehen hat.
Doch genug der deutschen Narrheit. Wer
trägt aber die Schuld solcher Seldstentehrung?
Der große Haufen macht es nur Denen nach,
 
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