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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 13.1912

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Nr. 5
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Haas, Alfred: Die mittelalterlichen Wehrbauten Pommerns in der heimischen Volkssage, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31850#0118

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108

sie durch eine „Wasserleite", durch welche das Regenwasser aus der Stadt unter der Mauer weg
in den Stadtgraben gesührt wurde. Aus diese Weise haben sie ihre Kinder und Kranken
aus der Stadt gebracht, und niemand rettete etwas als das nacktc Leben. (Mikrälius V, S. 320.
Temme Nr. 99.)

Die Stadt Stargard hat ähnlich wie Pyrih noch recht ansehnliche Reste ihrer mittel-
alterlichen Wehrbauten auszuweisen. Ein schöner alter Mauerturm ist das sogenannte „Notc
Meer", ein Turm, der, 1513 erbaut, sich aus quadratischer Grundlage in drei Stockwerken
erhebt. Die Sage berichtet, daß einst, und zwar zur Ieit des dreißigjährigen Krieges, in der

Nähe dieses Turmes
eine große Schlacht ge-
schlagen wurde, bei
welcher viel Blut ge-
flossen ist. Zum An-
denken daran soll der
Turm die Bezeichnung
„das Rote Meer" er-
halten haben. Andere
bringen den Namen
mit einemBürgerkriege
in Verbindung, der in
mittclalterlichen Zeiten
die Stadt zersleischte;
da soll auf dem Platze
neben dem Turme viel
Bürgerblut geslossen
sein, und als dann auch
noch die Gefangenen
von der Höhe des Tur-
mes herabgestürzt wur-
den, soll der Turm
„Rotes Meer" benannt
sein. Mit bezug auf
den Namcn sagt man
scherzhaft: „An Star-
gard können die Auden
noch alle Tage trocknen

Fußes durchs Rote
Meer gehen."

Der Name des Tur-
mes hat schon viele Cr-
örterungen hervorge-
rusen (Monatsbl. I,
S. 107); eine besriedi-
gende Erklärung hat
er aber noch nicht ge-
sunden. Ein „Roter
Turm" soll auch bei
der untergegangenen
Stadt Regamünde ge-
standen haben (Balt.
Stud. 18 S. 104).

Ein anderer Mauer-
turm in Stargard heißt
„der Cisturm", srüher
„der Wollweberturm"
genannt. Man deutet
diesen Namen neuer-
dings kurzerhand so,
daß man sagt, „Eis-
turm" sei der Turm
genannt worden, weil
sich in ihm ein Eis-
keller befindet. Diese
Erklärung ist jedoch

nicht zutressend. Der Name führt uns vielmehr in die Zeit des Mittelalters zurück. Damals
war die Ihna, die die Stadt Stargard durchsließt, viel wasserreicher als heutzutage; sie war
sogar sür Binnenfahrzeuge schissbar. Zur Winterzeit hielt die Stadt auf dem Eisturm einen
Wächter, der die Eisverhältnisse im oberen Flußgebiet beobachten mußte; wenn das Eis auf-
ging, wurde die Bürgerwehr alarmiert und mit Pieken und Stangcn an den Fluh geschickt,
denn die Eisschollen und Wassersluten bedrohten jedesmal das Mühlentor und die niederen
Stadtteile mit einer Überflutung. — Die Wache aus dem Eisturm soll lange Zeit ausschließlich
von den Wollwebern gestellt worden sein, da ihre an der Ihna gelegenen Walkereien immer
in erster Linie durch den Cisgang des Flusses bedroht waren. Einer anderen Äberlieserung
zusolge haben die Wollweber den Turm aus eigenen Mitteln errichtet und hatten die Ver-

Abb. SS. Pyritz. Der Eulenturm.
 
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