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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 13.1912

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Nr. 1
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Justus: Etwas vom Überdruß
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https://doi.org/10.11588/diglit.31850#0007

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XIII. Iahrg. Nr. 1

Zeitung für Wehrbau,
Wohnbau u. Städtebau

er Burgwart

Organ der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen

Herausgeber: Professor Bodo Ebhardt, Architekt, Grunewald-Berlin

Der Burgwart erscheint sechsmal jährlich — Bezugspreis: 12,S0 Mk. jährlich — Mitgiieder der Vereinigung zur
Erhaltung deutscher Burgen (Mindestbeitrag 10 Mk. jähriich) erhalten den Burgwart unentgeltlich frei ins Haus.

Etwas vom Überdruß.

ie Rufer im Streit, die heute die Blätter mit dem Lobpreisen der neuesten
„Kulturwerke" erfüllen, sind offenbar überzeugt mit nie dagewesencm
Verständnis zu wirken.

Eine noch nicht dagewesene Menge von öffentlichen Lobpreisungen eigener
oder fremder Arbeiten wird über das Publikum ausgeschüttet; so fein wie
der moderne Künstler ist nie einer gewesen, so tiefe Gedanken wie er oder
wie seine Lobschreiber hat noch nie ein Früherer beim Anblick eines harm-
losen Häuschens, eines formlosen Lattenzaunes, einer viereckigen Cschen-
holzkomode (mit dreieckiger Polisandereinlage! U) gehabt.

Fn grauen, mattvioletten, mattblauen „müden" Farben (für die ein kaltes nacktes
Wort nie den richtigen Ausdruck finden kann) ertrinkt die kaum noch dem oliv der „alt-
deutschen" Zeit entronnene Farbenfreudigkeit. Täglich entstehen neue Schlagworte! Vor-
gestern „englische Kunst", gestern „Iugendstil"! welche (Gott sei dank überwundene)
Barbarei, hcute Heimatkunst (wie lange noch gcduldet?), Biedermeier und Schinkel.

Diese neueste Mode der Primitiven ist wohl, wenn ein geschickter neuer Nufer auftaucht,
auch bald vorüber, der Purismus, der nur die Gebrauchsformen gelten läßt, feiert längst
nur noch Triumphe in Worten, um von seinen Anhängern sofort aufgegeben zu werden,
wenn die Aufgabe oder das Geld des Bauherrn irgendwelchen Auswand von künstlerischer
Kraft zur Lösung erfordert oder erlaubt. An Wirklichkeit bauen wir heute keinen neuen Stil,
sondern außen und innen alte Stile, bald ein modernisiertes „Barock", bald „Königin Luise", bald
mit Anklängen an englische und die schncll vorübergerauschten Formen des Augendstils, selbst
das modernste Warenhaus bildet gothische Einzelformen sosort nach, wenn die Oede des
„wahrhaftigen Baues" verlassen werden dars.

Und darum Räuber und Mörder! Darum Bände voll von Lobesredensarten über die
„neuen" Künstler, die sich doch nur sehr mühsam fortentwickeln und deren Mostholestätte jeder
einigermaßen Vorgebildete sofort erkennt. Ein Bannsluch aber über die, die ehrlich sagen,
in derund der Stilsprache versuche ich mein steinern Lied zu dichten. Die Dichter aller Sprachen,
sogar ihre guten Übersetzer gelten, warum nicht die Architekten der verschiedensten Stile?
 
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