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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 13.1912

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Nr. 5
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Haas, Alfred: Die mittelalterlichen Wehrbauten Pommerns in der heimischen Volkssage, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31850#0120

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110

Ende des 14. Iahrhunderts lebte in Stettin ein Bürger und Kausmann rnit Namen Benedikts
Passo. Dieser hatte außer dem richtigen Stettiner Kornschessel heimlich noch zwei andere
Schesselmaße, einen größeren und einen kleineren, und benuhte diese zu seinem eigenen Vorteil,
aber anderen und besonders der Armut zum Nachteil. Er wurde deswegen mit Gesängnis
bestraft und außerdem dazu verurteilt, oben in der Stadt das inittlere Landtor (d. i. das Passauer
Tor) aus seine eigenen Kosten von Grund aus auszubauen. Was auch geschah. Zum Gedächtnis
an diesen Vorsall ließ der Rat der Stadt drei runde Löcher in Gestalt der drei Kornschessel
an dem Tore nach der Feldseite zu einmauern. Und das Tor ward von der Zeit an das Passoische
Tor genannt. Der vorgenannte Passo hat nicht mehr lange nachher gelebt, sondern ist in
Verachtung, viel Plage und Ansechtung^geraten und endlich dahingestorben . . . Dem Herrn

ein Greuel, wie alle, die
übel tun.

Wir haben es hier mit
einer ätiologischen Sage zu
tun, die das in späterer Zeit
nicht mehrverstandene Wahr-
zeichen der eingemauerten
Schesfel zu erklären sucht.
In Wirklichkeit ist dieses
Wahrzeichen mit Lemcke
(Stett. Straßennamen S. 28)
so zu erklären, daß dieses
Tor es war, das aus das
Stadtseld hinaussührte und
durch das der Erntesegen in
die Stadt hineingeführt wur-
de. Lemcke weist auch dar-
auf hin, daß das Passowsche
Tor schon im Iahre IZ07 als valva Laseliaräi urkundlich angesührt wird, und daß es kaum
denkbar ist, daß die Stettiner ein Stadttor und ein ganzes Stadtviertel — das Passowsche
Viertel — nach dem Namen eines Missetäters benannt haben sollten.

Als Stettin im Iahre l72l preußisch wurde, ging das Passauer Tor ein, und an seine Stelle
trat das noch jeht vorhandene „Berliner Tor". Aus dem Unterbau eines zum Passowschen
Tore gehörigen Turmes wurde im l8. Zahrhundert eine holländische Windmühle errichtet,
die erst im Anfange des 19. Iahrhunderts abgerissen wurde.

Den Reigen beschließt die Stadt Treptow a. d. R. Hier liegt der Friedhos vor dem
Greisenberger Tor, und so bedeutet die seit alter Zeit dort vorhandene Redensart „Vor das
Greisenberger Tor kommen" nichts anderes als „begraben werden".

Von den alten Mauertürmen steht noch einer, der sogenannte Grützturm, ein einsacher,
runder Turm, der von einem achteckigen Helme gekrönt ist. Seinen Namen soll der Turm
daher erhalten haben, daß einmal in Kriegszeiten die Frauen von den Zinnen des Turmes
kochendheiße Grütze aus die Köpse der anstürmenden Feinde herabgegossen und dadurch
den Angriss abgewehrt haben sollen. — Nach einer anderen Äberlieserung kochte die Frau
des Turmwärters eines Abends, als der Feind einen Überfall aus die Stadt plante, Grühe und
setzte diese zum Abkühlen auf den Rand des Gemäuers. Aus Unachtsamkeit stieß sichgegen
das Gefäß, dieses fiel herab und tras einen Feind, der sich bis an das Mauerwerk herangeschlichen
 
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