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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,2.1917

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Heft 7 (1. Januarheft 1917)
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Avenarius, Ferdinand: Umlernen bei der Wirtschaft mit Geist!
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https://doi.org/10.11588/diglit.14296#0017

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JU diesem Punkte: wie stand es mit unsrer Volkswirtschaft mit stoff«
Älichen Gütern bis zum Kriege? Verschieden stand es, sehr gemischt
sozusagen. Dort war ein Gebiet, da wurde brav geackert, gedüngt, gesät
und gepflegt — aber ganz ausschließlich so, wie das im Privatvorteile des
Besihers lag. Daneben sind Felder, deren Ligentümer fragten sogleich:
was braucht die Allgemeinheit? Ein dritter Betrieb wüstete mit Raub«
bau. In dem Gute, das dranstieß, lagen die Acker brach. Aber die
Frage: was das Korn zum Wachsen und was das Kalb zum Fressen
braucht, die interessierte die Männer, welche über die Praktiken Theo-
rien machen. Die Wissenschaft der Volkswirtschaft kam in die Welt,
dröselte und kämmte die verknoteten Fäden zwischen den Dingen eini-
germaßen auseinander, stritt in sich selbst die Dunkelheiten einigermaßen
hell, und fing an, Einsichten zu eröffnen und Ratschläge zu geben. Mit
dem Kriege gab's dann einen Ruck: die Not gebot, und Riegel zerbrachen
und Türen sprangen auf. Hundert Anmöglichkeiten wurden plötzlich mög-
lich, nun man sie als Notwendigkeiten erkannte.

Essen und Trinken tun es nicht allein. Der tzerr Mensch verdankt
seine Stellung in der Welt dem Kopf. Was er in dem zurechtzaubert,
das gibt ihm als Gattungswesen vor den anderen Geschöpfen die

Medizinmannmacht, nnd ihm als Linzelwesen die Kraft zwischen seines-
gleichen. Die geistigen und seelischen Werte von der Entdeckung des

Forschers und der Erfindung des Technikers bis zu der Moral, die im
Gefecht entscheidet — sie schmieden im Kampf ums Da-Sein, ums Mehr-
Sein, ums tzöher-Sein die Waffen. Ei, denkt der tzarmlose in Irgendwo,
wie wird der Mensch erst die Wissenschaft von der Wirtschaft mit Kopf-
gut ausgebildet haben! And irrt sich. Nach solch einer Wissenschaft
ruft Endesunterzeichneter seit rund zwanzig Iahren, meint aber, man
könne immer noch kaum von Ansätzen zu chr, ach, kaum von Ansätzen
zur Erkenntnis der Aufgabe sprechen. Wie liegt denn die Frage?
Volkswirtschaft mit stofflichen Werten bemüht sich darum, erstens, daß

solche Werte in möglichster Fülle und in möglichster Güte erzeugt, zwei-
tens, daß sie mit größtmöglichem Nutzen für den Einzelnen und für

die Gemeinschaft des Volkes zweckmäßig verbreitet werden. Volkswirt«
schaft mit Geistesgut hätte also dafür zu sorgen, daß die geistigen und
die seelischen WerLe in möglichster Fülle und in möglichster Güte erzeugt
und daß sie mit möglichstem Nutzen für die Gesamtheit zweckmäßig
verbreitet werden. Wo ist von solcher Volkswirtschaft eine Wissen-
schaft?

Die Wissenschaft fehlt, die das Klären diejer Fragen betriebe. Und
die Praxis?

Wir haben sie, die Volkswirtschaft für geistige Güter, wie man prak-
tische Volkswirtschaft der Körpergüter hatte, bevor es die Wissenschaft
von der Volkswirtschaft gab: als Stückwerk auf Einzelgebieten. So haben
wir sie, wie früher der Bauer Volkswirtschaft betrieb, oder der Zändler
mit dieser Ware oder ein andrer gändler mit jener, oder d'er Interessent
dieser Gruppe oder das Konsortium jener Banken. Zusammenhanglos,
vom einzelnen Menschen, vom einzelnen Fachmann-Kreise auf den ein-

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